Mein feuriges Herz
Kaminuhr sich ebenso schleppend bewegten wie ihre Füße. Irgendwann gelang es ihr, den Kopf gerade zu halten, die Füße eine Spur leichter zu heben. Die Stunden krochen dahin, dem Morgen entgegen, aber Gray wollte nicht aufgeben. Er trieb sie gnadenlos an, obwohl er genauso erschöpft sein musste wie sie.
Kurz nach vier Uhr morgens verschwammen die Uhrzeiger nicht mehr vor ihren Augen. „Ich muss mich setzen, Gray. Ich schlafe nicht ein, ich verspreche es dir.“
„Bist du sicher?“
Sie nickte. Zum ersten Mal waren ihre Augen ganz geöffnet und beinahe wieder klar.
Gray küsste sie auf die Stirn. „Setz dich einen Moment. Ich bleibe bei dir.“
Er drückte sie auf das Sofa vor dem Kamin und setzte sich neben sie, den Arm um sie geschlungen, und beobachtete sie wachsam.
Corrie legte mühsam ihre Hand auf seinen Arm. „Du hast mir das Leben gerettet. Wenn du nicht bei mir gewesen wärst …“
„Ich war bei dir, nichts anderes zählt.“ Er hob ihre Hand an die Lippen und drückte einen zärtlichen Kuss in ihre Handfläche. Dann verhärtete sich seine Miene wieder. „Ich finde heraus, wer dir das angetan hat, und ziehe den Schweinehund zur Rechenschaft.“
Die Sonne war bereits aufgegangen, als Gray Coralee zu Bett brachte. Der Zofe gab er Anweisung, bei ihr zu wachen und sie jede Stunde zu wecken. Falls ihr Zustand sich verschlechterte, sollte sie ihn augenblicklich holen.
Gray begab sich in sein Arbeitszimmer, setzte sich an den Schreibtisch und rekapitulierte die Ereignisse des vergangenen Tages. Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn. Wenn er sie nicht nach oben gebracht hätte? Wenn er abgelenkt gewesen wäre und ihren Zustand erst zu spät bemerkt hätte?
Coralee könnte bereits tot sein.
Der Gedanke, sie zu verlieren, zog ihm die Brust schmerzhaft zusammen. Es war seine Pflicht, sie zu beschützen. Er hatte bei Jillian versagt, und er durfte und wollte kein zweites Mal versagen.
Allerdings wusste er, dass das nur die halbe Wahrheit war. Irgendwie war es Coralee gelungen, sich in sein Herz zu schleichen, wie es keine Frau vor ihr geschafft hatte. Sie hatte ihm gestanden, dass sie sich ein Kind von ihm wünschte. Sein Kind.
Gray glaubte nicht an die Liebe. Er redete sich ein, dass er Coralee nicht liebte. Aber er würde töten, um sie zu beschützen. Das war ihm in dem Augenblick klar geworden, als sie kaum fähig war, sich auf den Beinen zu halten, und ihm völlig hilflos und schutzbedürftig ausgeliefert war.
Als er die Treppe nach unten eilte, dachte Gray daran, wie sie ihm vertraut hatte, ihr zu helfen und was dieses Vertrauen in ihm ausgelöst hatte. Coralee war in großer Gefahr, daran gab es keinen Zweifel. Aber wenn er an sie dachte und daran, wie sonderbar ihm dabei ums Herz war, wusste er, dass auch er in Gefahr war.
„Was in Gottes Namen hast du dir dabei gedacht? Wie konntest du nur so etwas ungeheuerlich Dummes tun?“ Rebecca war außer sich, wanderte rastlos auf und ab, blieb stehen, atmete erregt und blickte zum Springbrunnen hinüber.
„Man muss ihr das Handwerk legen. Früher oder später trifft sie jemanden, der etwas gehört oder gesehen hat. Sie reimt sich die Dinge zusammen, und dann weiß sie, was ihrer Schwester in jener Nacht zugestoßen ist.“
Rebecca fuhr herum. „Du wolltest ihr einen Denkzettel verpassen, und dem habe ich zugestimmt. Aber ich hätte niemals meine Einwilligung zu dieser Torheit gegeben.“
Der Mann nahm einen Schluck Brandy. „Wenn es geklappt hätte, wäre sie keine Gefahr mehr.“
„Aber es hat nicht geklappt – und ich habe den Verdacht, du hast unser Ziel aus den Augen verloren.“
Die beiden standen auf der Veranda, augenscheinlich in ein höfliches Gespräch zwischen Freunden vertieft. Sie hatten nichts zu befürchten, da Charles ins Dorf geritten war.
„Im Grunde genommen müssen wir nicht seine Frau loswerden“, fuhr Rebecca fort, „sondern Tremaine. Sobald diese schmutzige Sache erledigt ist, geht der Titel auf Charles über, und ich bin Countess. Wenn ich Zugriff auf das Vermögen habe, kann ich dir die stattliche Summe aushändigen, die ich dir zugesagt habe.“
Der Mann schwenkte den Brandy im bauchigen Glas und trank. „Das habe ich nicht vergessen, glaube mir.“
„Was hast du vor?“
Er leerte das Glas und stellte es auf den verschnörkelten Gusseisentisch. „Ich tue genau das, was wir vereinbart haben.“
Rebeccas Augen funkelten berechnend. „Wenn ich es mir recht überlege, könnten diese Anschläge
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