Mein Flirt mit der Blutfrau
gehörte zu den letzten Mitgliedern der Trauergemeinde. Dann war der Zug vorbei.
Weit gingen sie nicht mehr. Sehr bald schon bogen sie nach rechts in einen schmalen Weg ein, an dessen Ende sich das frische Grab befand, in das der Sarg hineingesteckt werden sollte.
Die Menschen hatten Mühe, sich in der Enge um das Grab zu verteilen. Der Pfarrer hielt noch einmal eine kleine Ansprache. Es tat direkt gut, nicht mehr die Musik hören zu müssen. Ich bin sowieso kein großer Freund von Blechinstrumenten.
Mich hatte es auch nicht auf der Bank gehalten. Die Beerdigung ging mich eigentlich nichts an, auch kannte ich den Verstorbenen nicht, ich hatte ihn noch nicht einmal gesehen, aber ich dachte immer wieder an den Mord im Hotel del Sol.
Jemand mußte wie eine Bestie getobt haben, und das war auch bei diesem Mord der Fall gewesen, wie ich den flüsternden Gesprächen der etwas abseits stehenden Trauergäste entnehmen konnte.
»Wir müssen gesündigt haben, daß uns so etwas passiert ist«, sagte eine ältere Frau.
»Si, und jetzt der zweite Mord!« Die Worte hatte der Bodegero gesprochen.
»Wie das?«
»Im Hotel del Sol.«
»Nein.«
»Doch.«
Plötzlich hatte sich eine Gruppe um den Wirt gebildet. Man diskutierte und mußte lauter sprechen, weil die Musiker einen allerletzten Gruß über das offene Grab schmetterten.
Der zweite Mord hatte sich bisher noch nicht herumgesprochen gehabt. Das änderte sich jedoch rasch. Die Neugierigen wollten mehr wissen, doch der Wirt konnte ihnen auch nicht viel sagen, nur eben, daß es Pablo erwischt hatte. »Ach der«, sagte eine Frau. »Der ist doch verkehrt herum gewesen.«
»Trotzdem war er ein Mensch«, warf jemand anderer ein. Ich hielt mich aus der Diskussion heraus. Es war nicht meine Sache, über Menschen zu richten.
Außerdem hatte ich genug gesehen und gehört. Ich wußte jetzt ebenfalls, daß sich die Angst über den kleinen Ort am Meer gelegt hatte. Die Menschen zitterten. Ohne es ausgesprochen zu haben, befürchtete jeder, der nächste zu sein.
Ich verließ den kleinen Friedhof als erster und ging zurück in Richtung Hotel.
Natürlich machte ich mir meine Gedanken. Allein daß ich der Beerdigung beigewohnt hatte, war eigentlich ein schlechtes Zeichen dafür gewesen, daß der Urlaub irgendwie so recht keiner werden würde. Das hatte ich einfach im Gefühl.
Und da irrte ich mich leider selten…
***
Bis zum Abend passierte nichts mehr, außer daß ich noch Hunger bekam und darauf wartete, das Nachtmahl zu mir nehmen zu können. Gegen 21.00 Uhr betrat ich das Restaurant des Hotels, wo für die Hausgäste natürlich Tische reserviert waren.
Ich hatte einen Platz am Fenster bekommen, konnte in den Innengarten schauen, wo das Licht der Laternen blitzende Reflexe auf die Wellen des Pools warf.
Ich trank Mineralwasser und schaute auf der Karte nach, was man essen konnte und nicht so schwer im Magen lag. Ich entschied mich für eine kleine Fischplatte.
Die würde ich nehmen.
Der Ober kam an den Tisch. Es war ein noch junger Mann, höchstens achtzehn Jahre jung. Sein dunkles Haar war sorgfältig gekämmt, er lächelte freundlich und fragte nach meinen Wünschen.
»Die Fischplatte würde mich interessieren.«
»Sehr wohl, Señor. Und danach?«
»Wie… wie bitte?«
»Es ist eine Vorspeise, Senor!«
Ich lachte ihn an. »Sie haben gut reden. Für mich reicht das.«
»Danke. Ach ja, ich bin übrigens Juan. Wenn Sie Wünsche haben, rufen Sie nach mir.«
»Den Namen kann ich mir merken.«
»Darf ich Ihnen einen Wein empfehlen, oder wollen Sie in der Karte nachschauen?«
»Welchen offenen haben Sie denn?«
Er zählte drei auf.
»Geben Sie mir den weißen Franzosen, der paßt zum Fisch.«
»Gern, Senor.«
Juan verschwand wieder. Er trug ein weißes Jackett und eine schwarze Hose mit scharfen Bügelfalten.
Das Restaurant war so eingerichtet, daß man sich als Gast auch wohl fühlen konnte. Kleine, nicht sehr hohe weiße Mauern teilten den großen Raum so ein, daß die Gäste das Gefühl bekamen, auf keinen Fall in einer dieser Eßhallen zu sitzen, wie man sie aus großen Touristenhotels kennt.
Auf den Tischen lagen weiße Decken. Dazu hellblaue Servietten, die mit den ebenfalls hellblau gestrichenen Rattan-Möbeln harmonierten. Ich war einer der ersten Gäste gewesen. Allmählich füllte sich das Restaurant. Wie ich erkennen konnte, waren es ausschließlich Hotelgäste, die an den Tischen ihre Plätze fanden. Ich saß an einem Zweiertisch. Der andere Stuhl
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