Mein Flirt mit der Blutfrau
sie ihre Hand rasch wieder zurück.
Juan kam und schenkte Wein nach.
Wir bedankten uns bei ihm, und mir fiel abermals der Blick auf, den Juan Lavinia zusandte und der auch von ihr erwidert wurde. Kannten die beiden sich näher?
Ich wollte es genau wissen und erkundigte mich danach.
»Ach so, natürlich. Ich kenne Juan. Ein jeder kennt ihn, der hier aufgewachsen ist.«
»Sie wohnen demnach direkt in Etula?«
»So ist es.«
»Darf ich erfahren, wo genau?«
»Am Ende des Ortes.« Mehr sagte sie zu diesem Thema nicht, hob ihr Glas an und wollte abermals einen Schluck trinken. Den Mund hielt sie halb geöffnet.
Lavinia besaß wunderbare Lippen. Feingeschwungen, beinahe wie gemalt aussehend. Sie waren nur leicht geschminkt. Mit einem etwas bläulich schimmernden Kot, das irgendwie zu ihren Augen paßte. Plötzlich schimmerte etwas zwischen den Lippen. Eine dunkle Spitze, nicht die Zunge. Ich hatte den Eindruck, ein schwarzer Wurm würde aus ihrem Mund kriechen.
Auch Lavinia hatte es bemerkte. Sie drehte den Kopf, räusperte sich und preßte die Hand vor den Mund. Dann hustete sie einige Male, bevor sie sich wieder normal hinsetzte.
»Entschuldigen Sie«, sagte Lavinia, »aber…«
»Geht es Ihnen nicht gut?«
»Doch, jetzt wieder. Es ist die Erkältung, wissen Sie. Ich habe sie wohl noch nicht überwunden.«
Ich wollte sie auf den wurmähnlichen Gegenstand ansprechen, der zwischen den Lippen hervorgekrochen war, konnte mich dazu allerdings nicht überwinden.
Vielleicht hatte ich mir die Sache auch nur eingebildet. Lavinia di Luna wirkte in den folgenden Sekunden auf mich ein wenig verlegen. Sie strich mit beiden Händen die Tischdecke glatt, wo eigentlich gar nichts glattzustreichen war. Dann spielte sie mit ihrem Glas, hob die Schultern und lächelte etwas verlegen.
»Ich glaube, John, ich bin heute abend keine gute Gesellschafterin für Sie.«
Ich protestierte. »Wie können Sie das behaupten…«
»Hören Sie auf, John, das weiß ich genau. Wie lange sind Sie noch in Etula?«
»Eine knappe Woche.«
»Wunderbar. Dann werden wir uns bestimmt noch einige Male sehen. Ich fühle mich wirklich nicht wohl und möchte gehen.«
»Soll ich Sie nach Hause bringen?«
»Ich bitte Sie, nein. Der Weg macht mir nichts aus. Die frische Luft wird mir zudem guttun.«
»Aber…«
»Nichts aber, John. Wir werden uns morgen bestimmt wiedersehen.«
»Wann?«
Sie lächelte geheimnisvoll. »Überlassen wir es doch dem Zufall, John. Er geht oft genug denkwürdige Wege. Wie heute.« Im Sitzen schob sie den Stuhl zurück, um sich zu erheben.
Auch ich stand auf, blieb neben dem Tisch stehen und bekam mit, daß wir wieder beobachtet wurden.
Die meisten Gäste warteten darauf, daß wir gemeinsam das Lokal verließen.
Ein Irrtum ihrerseits. Ich half Lavinia in die Jacke, und sie verabschiedete sich von mir mit zwei gehauchten Wangenküssen. Bei der Berührung kitzelten ihre Lippen über meine Haut.
Oder war es etwas anderes?
»Bis morgen«, sagte sie, hob die Hand zum Gruß und ging dem Ausgang entgegen.
Ich blieb noch so lange stehen, bis ich sie nicht mehr sah. Danan setzte ich mich hastig wieder hin, weil ich mir vorkam wie auf dem Präsentierteller.
Juan kam zu mir. »Noch einen Wein, Senor?«
»Ja, bitte.« Tief atmete ich durch, griff in die Tasche und holte Zigaretten hervor. Ich spielte mit der goldenen Packung, bevor ich die Klappe öffnete und ein Stäbchen hervornahm.
Beim Rauchen dachte ich über Lavinia di Luna nach. Ich wurde aus ihr einfach nicht schlau. Sie erinnerte mich an eine Person, in der zwei steckten.
Sie war eine geballte Ladung an Sex, und gleichzeitig spielte sie die Unschuld fast perfekt. Da brauchte sie mich nur mit ihren großen, blauen Augen anzuschauen.
Sie hatte mich nach persönlichen Dingen ausgefragt, selbst aber wenig von sich preisgegeben.
So wußte ich nicht, wo sie genau wohnte und wie sie ihren Lebensunterhalt verdiente.
Vielleicht konnte mir da Juan helfen, der soeben den bestellten Wein brachte.
»Sie kennen Lavinia di Luna?« fragte ich ihn.
»Si, Senor.«
»Wohnt sie hier in Etula?«
»Auch das.«
»Was macht sie hier?«
Juan schenkte ein und hob gleichzeitig die Schultern. »Es tut mir leid, Señor, ich habe keine Ahnung.«
Ich merkte sehr wohl, daß er nicht bereit war, mir noch weitere Fragen zu beantworten. Wenig später bat ich um die Rechnung.
»Sofort, Senor.«
Er ging wieder weg. Ich schaute in den Qualm meiner Zigarette und hing den Gedanken
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