Mein Flirt mit der Blutfrau
innerhalb der Höhle!
Was hatte das zu bedeuten? Die Antwort war nicht sehr schwierig. Wahrscheinlich hatte jemand in früherer Zeit hier seine Opfer getötet. Ob Mensch oder Tier, darüber konnte ich nur spekulieren. Jedenfalls war dieser Altar vorhanden, und das mußte einen Grund haben, der auch mit Lavinia di Lima zusammenhing, davon ging ich aus.
Ich umrundete ihn einmal, konnte aber nichts entdecken, was mich weitergebracht hätte.
Auch auf der Rückseite war die Fläche glatt und ohne die Andeutung eines Musters.
Hier mußte ihre eigentliche Wirkungsstätte gewesen sein. Ich hatte sie gefunden, nur Lavinia selbst war nirgendwo zu sehen. Rbensowenig wie ein zweiter Ausgang. Mir blieb eigentlich nichts anderes übrig, als auf die Blutfrau zu warten. Sie hatte mir nach unserem zweiten Treffen erklärt, es dem Zufall überlassen zu wollen, wann wir uns wiedersehen. Daran glaubte ich nicht. Ich wußte, daß sie diesen Zufall bewußt steuerte, und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß sie mich hier in der Höhle allein lassen würde.
Zunächst verging Zeit.
Ich hatte Muße, mich auf die Stille zu konzentrieren. Hin und wieder wurde sie von typischen Geräuschen unterbrochen. Immer dann, wenn Wassertropfen von der Decke oder den höher gelegenen Stellen der Wände zu Boden fielen.
Zugleich wirkten diese Laute einschläfernd auf mich. Automatisch ließ meine Wachsamkeit nach.
Ich schreckte dann nahezu hoch, als ich ein anderes Geräusch vernahm, das nicht in die Stille passen wollte.
Rs war ein leises Klirren…
Sofort spannte ich mich. Wenn mich nicht alles täuschte, war es jenseits des Altars aufgeklungen, und ich hatte dieses Geräusch auch schon gehört, kam im Moment nicht darauf, wo es gewesen war. Ich leuchtete über den Altar hinweg. Noch bevor der Kegel ein Ziel erwischte, fiel es mir wieder ein.
Dieses leise Klappern entstand, wenn sich die Metallplatten auf dem Stirnband der Blutfrau bewegten und gegeneinander schabten. Demnach konnte Lavinia di Lima nicht weit sein.
Der Gedanke schwebte noch in meinem Hirn, als der Lichtkegel das Ziel traf. Rs war die Blutfrau — doch wie hatte sie sich verändert? Sie sah aus wie Tod und Sünde zugleich…
***
Es war schon sehr lange hergewesen, daß Juan gebetet hatte. Das änderte sich nun, als er neben dem Einstieg hockengeblieben und gesehen hatte, wie John Sinclair verschwand.
Er bewunderte den Mut des Mannes. Nach all den Dingen, die geschehen waren, hätte er es nicht fertiggebracht, in die dunkle Tiefe zu steigen. Er hielt die Hände gefaltet. Seine Gebete bestanden aus eigenen Einfällen, und er schloß auch seine Tante in die hastig gestammelten Worte mit ein.
Konnte das wirklich alles gutgehen, oder hatten sie sich nicht doch zuviel vorgenommen?
Die Blutfrau war gefährlich. Sie hatte ihren Weg rücksichtslos eingeschlagen und würde auch um keinen Schritt von diesem Pfad abweichen. Letztendlich bedeutete ihr Erscheinen den Tod. Die Dunkelheit nahm immer mehr zu. Juan kam es vor, als würde man hoch über ihm am Himmel Schablonen zusammenschieben. Dafür konnte er den Mond besser erkennen. Sein Umriß zeichnete sich fahlgelb ab. Erschien die Erde wie ein Auge zu beobachten. Juan beobachtete die Schachtöffnung. Er saß dicht am Rand, hatte sich vorgebeugt und sah John Sinclair nicht, weil er im Dunkeln in die Tiefe stieg.
Der junge Spanier bewunderte den Mut des Mannes. Er hätte ihn nicht gehabt.
Seine Gedanken kehrten zur Blutfrau zurück. Jetzt wunderte er sich darüber, daß er sich von dieser Person so hatte einwickeln lassen. Vielleicht war es seine Einsamkeit gewesen, die ihn hatte so handeln lassen. Tante Esmeralda hatte sich so intensiv nicht um ihn kümmern können. Möglicherweise war Juan deshalb erwachsener als andere Jungen in seinem Alter. Er lachte auch weniger, das Leben hatte ihn schon jetzt gezeichnet.
Juan wartete darauf, den Lichtschein sehen zu können. Wenn Sinclair den Grund des Schachts erreicht hatte, würde er bestimmt seine Lampe einschalten, das mußte er sogar.
»Wartest du auf ihn, Juan, mein kleiner Liebling?«
Der Junge wäre vor Schreck fast nach vorn in die Öffnung gekippt, als er die Stimme vernahm. Seine Augen hatten einen starren Blick bekommen. Er begann zu zittern und ärgerte sich plötzlich, daß er zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen war und daher nicht auf die Umgebung geachtet hatte. »Lavinia…«
»Si, ich bin gekommen, Junge. Willst du mich nicht
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