Mein Flirt mit der Blutfrau
anschauen? Los, dreh dich um!«
Es fiel Juan schwer. Er haßte es, in das Gesicht der Mörderin schauen zu müssen, auch wenn sie ihm einmal sympathisch gewesen war. Als er sich nicht rührte, ging sie noch weiter vor und legte ihm ihre Hand auf die Schultern. Wieder rieselte es kalt über seinen Rücken, das merkte Lavinia.
»Was ist denn los mit dir? Hast du Furcht vor mir?«
»Si…«
»Weshalb?«
»Weil du eine Mörderin bist!« preßte er hervor und wagte nicht, sich umzudrehen und ihr ins Gesicht zu schauen. »Du bist eine Mörderin. Du hast drei Menschen…«
»Das weiß ich doch alles. Es gehört auch dazu, mein Junge. Ich stamme aus einer anderen Zeit, ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Verstehst du das nicht? Ich habe eine Vertrauensperson gesucht und sie in dir gefunden, mein Lieber. Du solltest stolz darauf sein.«
»Ich bin es nicht, und ich werde es nie sein!« keuchte er. »Ich kann dich nur noch hassen!«
Ihr Griff verstärkte sich. Auch bewegte sie ihre Finger und drückte härter zu. »Dreh dich um, Juan!« Jetzt glich die Aufforderung einem Befehl. Juan gehorchte. Sofort löste sie ihre Hand, so daß er frei war. Lavinia di Luna ging einen Schritt zurück. Sie wuchs vom felsigen Untergrund in die Höhe wie eine Statue. Unbeweglich stand sie da. Es herrschte ein ungewöhnliches Licht, nicht völlig finster, etwas grau, als würde die Sonne noch hinter der schwarzen Wand stehen und versuchen, sie zu durchdringen.
Scharfe Konturen malten sich ab, und Juan konnte Lavinia di Luna ziemlich deutlich erkennen.
Sie lächelte. Das Gesicht verzog sich dabei, als bestünde die Haut aus Gummi.
»Jetzt siehst du mich«, sagte er.
Die Blutfrau nickte. »Du hast mich verraten, Juan. Du hast mich verraten…«
»Ich?« Er wies auf seine Brust. »Das ist doch nicht wahr. Nein, du hast dich selbst verraten. Durch deine Untaten…«
»Es mußte sein!«
»Dafür hasse ich dich!«
Die Blutfrau schaute ihn an. »Du weißt, Junge, daß ich Geduld mit dir gehabt habe. Aber strapaziere sie nicht zu stark, sonst muß ich dich bestrafen, wie es sich für einen Verräter gehört.«
»Du mich bestrafen? Wofür?«
»Erinnere dich daran, daß ich dir befohlen habe, niemandem diesen Einstieg zu zeigen. Du hast dich nicht daran gehalten. Du bist mit John Sinclair hergekommen…«
»Deinem Freund!«
Die Blutfrau lachte. »Freund, mein Lieber? Was weißt du denn schon davon!«
»Ihr seid zum Strand gegangen und…«
»Das stimmt. Es war Berechnung meinerseits. Ich habe bewußt seine Bekanntschaft gesucht und ihn in meine Fänge gelockt. Ich hatte es von vornherein auf ihn abgesehen.«
»Weshalb denn?«
»Er hat etwas Besonderes an sich!« flüsterte Lavinia. »Ich weiß nicht genau, was es ist, noch habe ich es nicht herausgefunden, aber es ist vorhanden. Kennst du dich aus?«
Juan hob die Schultern. »Wie sollte ich denn? Wie sollte ich mich auskennen?«
»Er muß dir von sich erzählt haben.«
»Si, das hat er.« Juan nickte. Bei seinen nächsten Worten schwang Triumph mit. »Er hat etwas Besonderes an sich. Es ist möglicherweise sein Beruf, denn er arbeitete für die Polizei. Er ist ein englischer Polizist. Scotland Yard…«
»Was ist das?« fragte sie scharf.
»So etwas wie die Guardia Civil…«
»Ach, davor brauche ich mich nicht zu fürchten. Sie tappen im dunkeln. Sie werden nie etwas begreifen.« Lavinia di Luna lachte und hob dabei die Schultern. Dann ging sie auf Juan zu, der sich plötzlich fürchtete und einen Schritt zur Seite trat.
»Was hast du vor?«
»Das wirst du gleich sehen. Ich treffe meine Vorbereitungen.« Sie bückte sich und entfernte die Stange, die die Schachtöffnung in der Schrägen hielt.
Der Deckel kippte.
Juan gefror der Schrei auf den Lippen. Er traute sich auch nicht, Lavinia di Luna anzugreifen. Untätig hatte er mit ansehen müssen, daß sie den Eingang verschloß.
»So«, sagte sie, »dieser Weg ist versperrt. Jetzt wird das Innere des Berges zu seinem Grab werden!«
Der Junge hatte die Hände zu Fäusten geballt. Kälte kroch von unten her durch seine Beine und umklammerte auch sein Herz. Ein Ring aus Eisen schien sich um die Brust gelegt zu haben. Wenn er Luft holte, hatte er Mühe und spürte Schmerzen.
»Du… du willst ihn dort unten sterben und vermodern lassen?« fragte er leise.
Sie lächelte. Ihre Lippen bewegten sich dabei, und Juan zeigte sich irritiert. »Verdient hätte er es. Das gleiche hat man mit mir gemacht, aber ich besaß die Kraft des
Weitere Kostenlose Bücher