Mein Flirt mit der Blutfrau
Mondes. Lavinia di Luna. Man hat mich damals die Mondgöttin genannt, die Göttin der Nacht, der Finsternis. Sie wollten mich töten und irrten sich gewaltig. Ich werde ihn nicht vermodern lassen, obwohl er es verdient hätte. Ich werde mit ihm reden, ich werde zu ihm gehen. Er soll erleben, wie es ist, wenn man eine Person wie mich abweist.«
Juan hatte zugehört, aber nicht sehr viel begriffen. Er nickte trotzdem und fragte dann: »Was ist mit mir?«
»Du, mein Junge?« Sie lachte auf. »Mit dir habe ich auch noch etwas vor. Du wirst mich begleiten.«
»Wohin?«
»Zum Strand, zum Meer, wo sich der Mond in den Wellen spiegelt. Ich kenne mich aus, du nicht. Ich habe lange, sehr lange Zeit gehabt, um nach gewissen Dingen suchen zu können.« Sie streckte ihm ihren Arm entgegen. »Nimm meine Hand!«
»Die Hand einer Mörderin?« Juan schüttelte sich. »Niemals, sage ich. Niemals!«
»Nimm sie!«
Juan erschrak, als er die Schärfe in ihrer Stimme hörte. Er spürte den Schweiß in seinem Nacken, dann nickte er, weil er sich trotz allem nicht gegen sie stellen konnte.
Er trat zögernd auf sie zu, streckte auch seinen Arm aus, und ihre Hände fanden den Kontakt.
»Das ist gut. Spürst du mich? Spürst du nicht die Kraft der Lavinia di Luna? Der bleiche Mond hat mich gezeichnet. Seine Strahlen stecken in mir, die Göttin der Finsternis ist wieder da.« Sie brachte ihr Gesicht dicht an ihn herab, hielt ihn dabei fest, und der Junge schaute nicht nur auf den matt glänzenden Reif, sein Blick fiel auch in ihr Gesicht. Dabei vergaß er die Kälte der Hand und lauschte ihren Worten.
»Ich lebe durch die Kraft des Mondes. Es ist mir gelungen, seine Strahlen aufzufangen, weißt du, wo sie stecken? Schau mich an! Sieh in mein Gesicht, in meine Stirn, wo das Band herläuft. Es besteht aus silbernen Plättchen. Ihnen ist es gelungen, die Kraft des Mondes aufzunehmen. Sein kaltes Licht ist in ihnen gefangen und wird als Energie an mich weitergegeben. Es erhält mich am Leben. Das Band ist die Verbindung zwischen ihm und mir.«
Juan hörte die Worte, aber sie glitten ab. Sein Blick konzentrierte sich auf das Gesicht der Blutfrau. Hatte er vor kurzem noch das Gefühl gehabt, als würden sich ihre Lippen bewegen, so mußte er jetzt zugeben, daß er sich nicht getäuscht hatte.
Sie bewegten sich tatsächlich. Aber nicht, weil sie zitterten, aus dem Mund drang etwas hervor…
Tiere…
Sehr klein, dunkel, mit einem harten Panzer umgeben, der einen grünlichschwarzen Glanz abgab. Käfer…
Er zuckte zurück und wollte sich aus dem Griff der Blutfrau befreien. Das war nicht möglich.
Lavinia hatte seinen Vorsatz durchschaut und hielt sie eisern fest. »Nein, du entkommst mir nicht. Du bleibst bei mir, denn ich will dich mitnehmen.«
»Warum?«
»Weil du erleben sollst, wie er stirbt.«
Juan hatte nur Augen für ihr Gesicht. Nicht allein durch die Lippen krochen die Käfer, irgendwelche Tiere hatten den Weg auch durch die Ohrlöcher gefunden.
Es waren kleine Spinnen, die es sich auf dem Gesicht sehr wohl zu fühlen schienen.
Er wußte nicht, weshalb diese Tiere aus ihrem Körper krochen. Die Frage wagte er nicht zu stellen, sie stand jedoch in seinen Augen, und das merkte Lavinia.
»Du bist überrascht?« Sie lachte leise. »Das kann ich mir denken, mein junge. Aber ich liebe diese Tiere. Ich habe mich lange von ihnen ernährt, verstehst du?«
»Nein, nein…«
»Sie sind ähnlich wie ich, mein Junge. Es sind Tiere der Nacht. Sie leben in der Dunkelheit. Wenn die Sonne scheint, verkriechen sie sich in Höhlen oder finden Verstecke unter den schweren Steinen. Auch ich habe das Licht der Sonne gehabt, der Mond ist für mich wichtiger. Aber ich habe gelernt, mich auch im Sonnenlicht zu bewegen, leider fällt es mir noch immer schwer. Nach einer gewissen Zeit muß ich einfach weg und dunkle Orte aufsuchen. Jetzt haben wir Nacht. Und die Nacht ist mein Reich. Schau in die Höhe, dort wirst du den Mond sehen. Er ist nicht voll, doch er nimmt allmählich zu, deshalb wird seine Kraft ständig stärker…«
»Hör auf!«
Lavinia di Lima lachte. Sie setzte sich in Bewegung und riß den Jungen kurzerhand mit. »Du bleibst bei mir!« versprach sie. »Und zwar für immer!«
Juan zitterte vor Angst…
***
Lavinia di Luna stand im Lichtkegel meines Scheinwerfers, als wäre sie bei einer Stellprobe auf einer Theaterbühne, um dort ausgeleuchtet zu werden.
Es war kein Erscheinen oder Kommen bei ihr, diese Person genoß einfach
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