Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
anderes Quartier suchen“, riet ihm der berühmte Detektiv ernst. „Hier werden Sie unbedingt versumpfen. Die Gelben ziehen Sie von heute auf morgen in den Schlamm.“
Da Ray Mortimer noch immer kein Wort sprach, wandte sich Morry rasch ab und kehrte in das Zimmer Mara Revells zurück.
„Wie kommt Ray Mortimer in dieses Haus?“ fragte er gedehnt. „Sagen Sie die Wahrheit! Wer hat ihn hierhergelockt?“
„John Dallas“, gestand Mara Revell zögernd. „John Dallas hat das getan, Sir! Warum, weiß ich nicht. Er sprach nicht mit mir über seine Geschäfte.“
„So?“ meinte Morry ironisch. „Das finde ich seltsam. Dachte immer, Sie wüßten von seinem Treiben.“
„Am Anfang nicht“, erklärte Mara Revell wahrheitsgemäß. „Und als ich dann hinter seine Schliche kam, zog ich mich von ihm zurück.“
„Warum blieben Sie dann hier bei ihm?“
„Wohin hätte ich sonst gehen sollen, Sir? Ein Mädchen wie ich findet keine ehrliche Arbeit mehr. Ich habe weder Eltern noch Verwandte. Also mußte ich wohl oder übel hierbleiben.“
Kommissar Morry musterte sie prüfend. „Sie sind doch sehr hübsch“, äußerte er anerkennend. „Mancher Mann würde sich glücklich schätzen, Sie zur Frau zu bekommen. Warum heiraten Sie nicht einen anständigen Bürger?“
„Ich kenne keinen anständigen Bürger“, erwiderte Mara Revell achselzuckend. „Ich kenne nur Gauner und Taugenichtse. Von ihnen möchte ich keinen zum Mann haben.“
Der Kommissar plauderte noch eine Weile über harmlose Dinge, dann rüstete er sich zum Abschied. „Sollte John Dallas hier auftauchen, so rufen Sie mich sofort an, verstanden? Das gleiche gilt für seine Freunde. Sollten sie sich hier blicken lassen, so müssen Sie mich sofort davon unterrichten. All right?“
Er wartete die Antwort Mara Revells gar nicht erst ab, sondern verließ das Schleusenhaus auf schnellstem Wege. Gleich in der Nähe, hinter den Werften am Hafen, betrat er eine Telephonkabine. Er wählte die Nummer von Scotland Yard und ließ sich mit dem Sonderdezernat verbinden. Inspektor Elvis meldete sich.
„Hallo, Elvis!“ rief Morry hastig in die Muschel. „Ich habe einen Auftrag für Sie. Schicken Sie sofort ein Telegramm nach Singapore. Fragen Sie bei den dortigen Behörden an, ob ein gewisser Ray Mortimer früher in Singapore wohnhaft war. Ich möchte gern wissen, was er im Fernen Osten getrieben hat, und mit wem er dort drüben verkehrte. Ich glaube, daß uns dieser Mann noch viele Rätsel aufgeben wird.“
„Ja, das fürchte ich auch“, seufzte Inspektor Elvis und hängte den Hörer ein.
5
Die Freunde John Dallas saßen am nächsten Abend vollzählig in der Sodom Bar am Wenlock Basin in Hoxton zusammen. Acht Männer lümmelten an einem langen Tisch im Billardzimmer. Genauer gesagt waren es sieben Weiße und ein Gelber. Meist unterhielten sie sich im Flüsterton, und wenn die Bedienung den Raum betrat, schwiegen sie ganz. Ihre Gesichter wirkten finster und waren von nervöser Spannung überschattet. Ein lastendes Verhängnis drückte auf ihre Stimmung. Sam Lupin führte den Vorsitz. Er warf seine Zigarette in den Aschenbecher und drückte sie mit einer fahrigen Bewegung aus. Sein hageres Gesicht war dunkelrot vor Zorn und Ärger. Seine Augen brannten in argwöhnischem Verdacht.
„Ihr habt also John Dallas zuletzt in der Wohnung Ray Mortimers gesehen?“ fragte er den Chink lauernd.
„Hm. Genau so ist es.“
„Und er ist nicht mehr zum Vorschein gekommen?“
„Weiß nicht“, lispelte der Gelbe achzelzuckend. „Wir sind weggegangen.“
„Wieso weggegangen? Solltet ihr nicht auf eurem Posten bleiben?“
„No, John Dallas hat uns aus dem Hof des Chinesenhotels weggejagt. Er wollte mit Ray Mortimer und Mara Revell allein sein.“
Sam Lupin starrte finster auf seine Freunde. „Was haltet ihr davon? John Dallas ist seit diesem Zeitpunkt verschwunden. Niemand hat ihn mehr gesehen. Kein Mensch weiß, wo er steckt. Da ist doch irgendetwas faul.“
„Vielleicht ist er getürmt“, warf Steff Elm hastig dazwischen. Sein Gesicht war spitz und käsig vor Erregung. „Wir sollten dasselbe tun, bevor uns ein gewisser Kommissar am Kragen hat.“
„Bah!“ meinte Sam Lupin wegwerfend. „Vorerst kann uns der Schnüffler nichts beweisen. Wir bleiben hier, bis die Geschäfte abgelaufen sind. Kein Mensch kann uns vertreiben.“
Er unterbrach sich, weil eben die Bedienung ins Billardzimmer trat. Sie brachte Bier, Schnaps und Zigarren. Ihr Wesen
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