Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
war scheu und gehemmt.
„Eh, was ist Cilly?“ brummte Sam Lupin kopfschüttelnd. „Dein Temperament läßt von Tag zu Tag nach. Früher warst du Feuer und Flamme für unseren Verein. Und jetzt machst du ein Gesicht, als wolltest du uns alle zum Teufel wünschen.“
Cilly Saddler brachte es nur zu einem mühsamen Lächeln. Sie bediente die Männer nervös und ängstlich. Ihre hübsche, füllige Gestalt war gebeugt, als schleppe sie eine schwere Last mit sich herum. Ohne ein Wort zu sprechen, huschte sie nach getaner Arbeit aus dem Raum.
„Sie will von uns nichts mehr wissen“, meckerte Steff Elm mit zittriger Stimme. „Alle haben sie Angst vor der Polizei. Ehrlich gesagt, mir geht es nicht anders.“
„Lassen wir das!“ fuhr Sam Lupin scharf dazwischen. „Wir sind noch immer bei John Dallas. Wir müssen endlich wissen, was aus ihm geworden ist. Schlage deshalb vor, daß wir Ray Mortimer und Mara Revell aus dem Schleusenhaus holen. Der Zinker soll uns Rede und Antwort stehen. Wenn er wieder lügt, machen wir kurzen Prozeß mit ihm.“
Die anderen stimmten ihm zu. Jeder von ihnen wollte den Auftrag übernehmen. Schließlich fiel die Wahl auf Rex Coombe. Der stiernackige Bursche mit den aufgeworfenen Lippen machte sich grinsend auf den Weg.
„Ich nehme den Wagen“, brummte er noch, bevor er hinausstelzte. „In spätestens zwanzig Minuten bin ich zurück. So long, Boys!“
Die anderen blieben zurück und warteten. Sie warteten in verzehrender Ungeduld. Kaum, daß sie ein Wort miteinander wechselten. Sie tranken und rauchten und dösten bleiern vor sich hin. Dann öffnete sich plötzlich die Tür. Rex Coombe kam zurück. An seiner Seite gingen — mit bleichen, verdüsterten Gesichtern — Ray Mortimer und Mara Revell. Sie wollten an der Tür stehenbleiben, aber Rex Coombe drängte sie brutal an den Tisch heran.
„Da sind sie“, sagte er verächtlich. „Schaut sie euch an! Das schlechte Gewissen glotzt ihnen aus den Augen.“
Sam Lupin betrachtete die beiden mit grimmiger Miene.
„Wo ist John Dallas?“ fragte er schroff. „Er war zuletzt bei euch im Chinesenhotel. Was habt ihr mit ihm gemacht?“
„Nichts“, sagte Ray Mortimer leise. „Gar nichts. Er ist wieder weggefahren.“
Sam Lupin brach in ein höhnisches Lachen aus. „Das kannst du mir nicht erzählen, verdammter Lügner. John Dallas hätte nie seine Freundin bei dir allein zurückgelassen. Er hätte sie noch nicht einmal einem von uns anvertraut.“
Ray Mortimer blickte verstört in die lauernden Gesichter ringsum. Sie alle warteten nur darauf, daß er sich verriet. Sie suchten nach einem Grund, ihn für immer loszuwerden. Wahrscheinlich hatten sie längst seinen Tod beschlossen. In dieser bedrohlichen Situation kam ihm Mara Revell zur Hilfe. Sie trat furchtlos vor Sam Lupin hin.
„Wenn ihr es genau wissen wollt, werde ich euch die Wahrheit verraten. John Dallas wollte sich mit mir aus dem Staub machen. Ganz heimlich, versteht ihr? Ohne euch nur eine Silbe davon zu sagen. Er wollte mich mitnehmen. Aber ich gab ihm einen Korb. So, nun wißt ihr Bescheid.“
Ihre Worte zeitigten eine ungeahnte Wirkung. An dem langen Tisch erhob sich lärmender Tumult. Eine Flasche zerschmetterte an der Wand und barst in klirrende Scherben.
„Dieser Schuft“, krächzte Eugen Fenwick, den sie den Spitzbart nannten. „Dieser Schuft! Erst hat er uns die ganze Suppe eingebrockt, weil er sich von Morry den Koks abnehmen ließ. Und nun türmt er und läßt uns hier sitzen. Ich sehe schwarz für uns, Boys! Die Ratten verlassen das Schiff. Wir sollten es genauso machen.“
„Dummes Gewäsch!“ zischte Sam Lupin gereizt. „Wollt ihr euch von diesem Frauenzimmer auf den Leim führen lassen? Sie behauptet, John Dallas hätte sich heimlich aus dem Staub gemacht. Nun frage ich: Wie hätte er das anstellen sollen? Mit dem Schiff kann er nicht geflüchtet sein, denn wir haben an der Themse überall unsere Spitzel sitzen. Mit einem Zug hätte er kaum Chancen gehabt, das Land unauffällig zu verlassen. Bliebe also nur die Möglichkeit, daß er sich zu Fuß auf die Reise begab. He, glaubt ihr das, Boys?“
Seine Worte trieften vor Hohn. Er schickte einen stechenden Blick zu Mara Revell hinüber. „Mit Lügen kommen wir nicht weiter. Sag endlich die Wahrheit!“
„Vielleicht ist er mit seinem Auto weggefahren“, stammelte das Mädchen beklommen.
Sie erschrak, als ein heiseres Lachen in ihre Worte fiel. Sam Lupin war aufgesprungen. Sein hageres
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