Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
ein scharrendes Geräusch. Es kam von der gegenüberliegenden Mauer. Es klang geradeso, als hätte jemand ein Magazin in eine Pistolenkammer geschoben. Sam Lupin kehrte augenblicklich um. Mit langen Sätzen wandte er sich zur Flucht. Aber er hatte kaum zehn Meter hinter sich gebracht, da hallte ein donnernder Schuß durch das Gemäuer. Matt erhellte der Widerschein des Mündungsfeuers das Straßenpflaster. Es war schlammig und voller Unrat. Nur nicht in diesem Morast verrecken, dachte Sam Lupin, als ihm die mörderische Kugel wie höllische Glut durch die Brust raste. Nur nicht fallen. Wenn du erst liegst, gibt es kein Aufstehen mehr. Du mußt diesem Teufel ein Schnippchen schlagen. Er darf nicht ein zweites Mal zum Schuß kommen.
Seine zähe Willenskraft trug den Sieg davon. Es gelang ihm tatsächlich, auf den Beinen zu bleiben und mit schleppenden Sätzen weiterzurennen. Er achtete nicht darauf, daß seine Brust wie Feuer brannte. Er übersah es auch, daß seine Kräfte mehr und mehr nachließen. Taumelnd und schwankend stolperte er vorwärts. Zur Linken tauchte eine Hafenkneipe vor ihm auf. Sie war noch geöffnet. Die untere Fensterfront war strahlend erhellt. Durch die Scheiben klang Stimmengemurmel und rauer Gesang.
Die Rettung, dachte Sam Lupin erleichtert. Es ist die Rettung! Die Leute werden mir helfen. Sie werden mich verbinden und einen Arzt holen. Aber merkwürdig, gerade die letzten paar Meter wollten ihn seine Füße nicht mehr tragen. Er kam kaum noch vorwärts. Taumelnd hielt er sich an einem Fenstersims fest. Seine Rechte schlug hart an die Scheiben.
„Aufmachen!“ schrie er mit ersterbender Stimme. „Aufmachen! Ich brauche Hilfe!“
Es waren seine letzten Worte.
Der zweite Schuß, der seine zerschundene Brust zerriß, gönnte ihm keine Chance mehr. Er brach schwer und lautlos zusammen. Als die aufgestörten Gäste aus der Schenke zu ihm herauseilten, war er schon tot.
18
Pancras Eversley hob unruhig das blasse Gesicht, als sich seine Zellentür im Untersuchungsgefängnis öffnete. Hastig sprang er von der Pritsche. Apathisch und in erschöpfter Haltung stellte er sich unter das Fenster.
„Was wollen Sie noch von mir, Kommissar?“ fragte er mit rauer Stimme. „Sie haben doch Ihr Ziel bereits erreicht?“
„Nicht ganz“, lächelte Morry trocken. „Ich suche noch Ihren Freund, Mr. Eversley. Ihren Freund, den Mörder!“
„Ich habe keinen Freund“, sagte der Häftling tonlos. „Sie täuschen sich! Den Rauschgiftschmuggel gebe ich zu. Aber mit den Morden will ich nichts zu tun haben.“
Morry setzte sich an den kleinen Klapptisch und breitete ein paar Protokollblätter vor sich aus.
„Ich möchte gern Ihre letzten Helfer im Schleusenhaus festnehmen, Mr. Eversley“, meinte er gedehnt. „Legen Sie ein offenes Geständnis ab. Die Männer um Sam Lupin waren doch Ihre Helfer, nicht wahr?“
Pancras Eversley schwieg. Er verhielt sich stur und bockig. Er wollte nichts sagen. Und er sagte auch nichts.
„Was wird aus Ihrer Braut werden?“ fuhr Morry ungerührt fort. „Man wird sie verhaften, weil sie an Ihren schmutzigen Geschäften teilnahm. Oder wollen Sie abstreiten, daß sie bei allem mitmachte?“
Wieder keine Antwort. Pancras Eversley schwieg starrsinnig vor sich hin. Nach einer halben Stunde gab der Kommissar die Vernehmung auf. Enttäuscht packte er seine Papiere in die Mappe. Mißmutig verließ er die Zelle.
„Vielleicht ist Ruth Levan nicht so schweigsam“, tröstete er sich. „Vielleicht kann ich ihr ein Geständnis entlocken. Sie kennt den Mörder. Davon bin ich felsenfest überzeugt.“
Schon zwanzig Minuten später läutete er an der altertümlichen Villa am Wilton Creszent. Er mußte lange warten. Dann endlich erschien Ruth Levan mit verweinten Augen und eingefallenem Gesicht. Auch diesmal erschrak sie, als sie ihn erkannte. Sie war nur noch ein armseliges Nervenbündel. Sie 'hatte keine Widerstandskraft mehr. Mit dem Instinkt des geborenen Kriminalisten witterte Morry seine Chance.
„Darf ich eintreten?“ fragte er rasch.
Er saß ihr kaum in dem bequemen Sessel am Kamin gegenüber, da begann er sie auch schon mit seinen pausenlosen Fragen einzudecken.
„Pancras Eversley hat gestanden“, bluffte er. „Wir wissen alles, Miß Levan. „Es hat keinen Sinn, daß Sie mir noch etwas vorlügen. Ich weiß, daß Sie an dem Rauschgiftschmuggel beteiligt waren. Sie müssen mit Ihrer Verhaftung rechnen.“
Ruth Levan senkte den Kopf. Sie hatte den Kampf
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