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Mein Freund Jossele

Mein Freund Jossele

Titel: Mein Freund Jossele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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die ESTAK
    fesseln sollen. Sie fürchten, dass er sich eines Tages selbständig machen und eine Privatkanzlei eröffnen könnte. Sollte er aber seinen sechsten Sinn auch weiterhin zur Verfügung der Steuerbehörde halten, dann bestünde für ihn - und das fürchten sie erst recht - die Möglichkeit, wie jeder Steuerinformant 10% der jeweils zustande gebrachten Summe zu beanspruchen. Auf diese Weise würde er binnen kurzem zum Millionär werden. Und dann müssten sie vielleicht einen zweiten Fischbaum auf ihn ansetzen.
    Aber woher nehmen? Es gibt nur einen Fischbaum.

Platonische Liebe
    Es folgt nunmehr meine eigene Version der »Love Story«, die ebens o ergreifend ist wie das Original. Sie zeigt, auf welche Weise die hehrsten Gefühle vernichtet werden können.
    Mein Cousin saß da und starrte zur Decke. Seine Stimme klang träumerisch:

    »Es war Liebe auf den ersten Blick. Ein Hauch von geistigem Adel schwebte um diese Frau, ein Leuchten wie von innerer Heiterkeit. Sie hatte mich nur ein einziges Mal aus ihren geheimnisvollen dunklen Augen angesehen - und ich war ihr verfallen. Ich folgte ihr wie in Trance. Sie liebte mich nicht.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Sie fand, ich sei nicht genug empfindsam. Sie ist eine Dichterin. Wir trafen einander ein paarmal und sprachen über ihre Pläne. Das war alles. Sie hatte eine Art Leibwächter, einen Jugoslawen. Ich saß nächtelang auf der Treppe vor ihrer Wohnungstür und beneidete ihn. Wenn sie mich am Morgen um ein Päckchen Erdnüsse schickte, war ich der glücklichste Mensch auf Erden.« »Was du nicht sagst.«
    »Sie nahm kleine Geschenke von mir entgegen, manchmal auch etwas Bargeld, aber dadurch wurde ihre Leidenschaft nicht geweckt. Ich litt wie ein Hund. Eines Nachts hatte ich eine fürchterliche Vision: ich sah den Jugoslawen, wie er ihr in der Badewanne den Rücken einseifte. Damals fasste ich den Entschluss, mich von dem allen zu befreien. Ich rannte die ganze Nacht durch die Straßen.
    Wohin, war mir gleichgültig. Nur weg von ihr. Am Morgen fand ich mich vor ihrer Türschwelle mit einem Päckchen Erdnüsse. Sie warf mich hinaus. Meine Freunde sahen mich zugrunde gehen und kamen mir zu Hilfe. Sie fesselten mich an einen Schaukelstuhl. Aber selbst dann erschien vor meinem geistigen Auge immer wieder ihr geheimnisvoll lockendes Lächeln. Ich schaukelte zum Telefon und wählte mit der Nase den Polizeinotruf. Die Polizei kam und band mich los. Ich ließ mich zu ihrer Wohnung führen, um ihr einen Heiratsantrag zu machen.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Sie war nicht zu Hause. Wahrscheinlich ausgegangen, mit ihrem Leibwächter. Ich suchte einen Psychoanalytiker auf und sagte ihm alles. Er erklärte mir, dass ich als kleines Kind meine Mutter gehasst hätte und mich jetzt dafür rächen wollte. Es wäre auch möglich, dass ich als kleines Kind meine Mutter geliebt hätte und dass ich jene Frau mit ihr identifiziere. Was immer davon zutraf - ich brach jedesmal in Tränen aus, wenn ich ihren Namen nannte. Der Analytiker brüllte mich an, dass ich mich nicht wie ein kleines Kind benehmen solle. Ich sprang von der Couch und ging zu ihr. Ich war entschlossen, ihr meinen gesamten Besitz zu vermachen.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Sie war im Prinzip einverstanden und ließ mich zum erstenmal in ihre Wohnung ein. Eine kultivierte Wohnung, voll von kultivierter Atmosphäre. Wir lasen Lyrik. Als sie zu Bett ging, durfte ich die Kerze halten. Das Wachs tropfte auf meine Finger, und ich fühlte mich im Himmel. Dann kam der Jugoslawe. Er hatte die Türschlüssel. Sie schlossen mich in die Speisekammer ein. Ich begann zu trinken. Whisky, Rum, Sodawasser, Himbeersaft, alles, was ich dort fand. Aber es half nichts. Ich konnte nicht leben ohne sie, ohne ihre Stimme zu hören, ohne die vibrierende Ausstrahlung ihrer Persönlichkeit zu spüren. Ich bat sie, mich unter ihrem Bett schlafen zu lassen. Sie lehnte ab. Ich sprang aus dem Fenster.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Ich hatte sterben wollen, aber ich brach mir nur das Bein. Drei Monate lag ich im Gipsverband und lernte Serbokroatisch. Alle zehn Minuten rief ich sie an, bis sie den Stecker herauszog. Ich verfiel immer mehr. Aus dem Spiegel glotzte mir das Wrack meines Schattens entgegen. Eines Tages ertrug ich es nicht länger, schwindelte mich im Pyjama aus dem Krankenhaus und schleppte mich zu ihr. Sie öffnete die Türe - und seither habe ich jedes Interesse an ihr verloren. Der Jugoslawe kann sie haben.«
    »Was ist

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