Mein Freund Jossele
»Wir sind von der Steuerfahndung und wollten nur fragen, wo -«
Die Frau schrie gellend auf und stürzte ins Schlafzimmer:
»Sami! Sie sind hier! Rasch! Die Scheckbücher!«
Als die Wohnungsstürmer das Schlafzimmer erreichten, hatte Sami bereits das dritte ausländische Scheckbuch verschluckt; sie konnten gerade noch den Safeschlüssel sicherstellen, der in seiner Kehle steckte. Samis DM-Depot fand sich in den Bänden »Fidschi bis Granit« und »Lachs bis Luchs«
des Konversationslexikons. Seine Frau stand draußen und murmelte immer wieder: »Ich hab's gewusst, Sami, ich hab' dir gesagt, wir müssen irgendetwas deklarieren.« Ihre Lockenwickler enthielten eine beträchtliche Anzahl zusammengerollter Dollarscheine.
»Verhaften und zur Anzeige bringen«, befahl Fischbaum, ehe er hurtigen Fußes das nächste Stockwerk erklomm, wo er ohne größere Schwierigkeiten - war sie doch durch den Namen gekennzeichnet - Misrachis Wohnungstüre fand. Der Maschinengroßkaufmann versuchte sich der drohenden Verhaftung zu entziehen, indem er sich im Badezimmer erhängte, aber die ESTAK-Leute schnitten ihn rechtzeitig ab, entdeckten in der Tiefkühltruhe seine Bücher, ließen sie auftauen und stellten fest, dass sein jährlicher Reingewinn nicht, wie angegeben, I£ 413,06 betrug, sondern runde 12 Millionen. Außerdem stöberten sie unter einigen lockeren Fliesen in der Küche größere Mengen von angereichertem Uran auf.
Misrachi wurde verhaftet und seine Wohnung versiegelt. Die Schlüssel wollte Fischbaum dem Hausbesorger übergeben.
»Ich bin Inspektor Fischbaum von der ESTAK«, stellte er sich vor. »Hier sind - nein, um Himmels willen!« Er hätte nicht so erschrecken müssen. Der Hausbesorger landete nach seinem Sprung aus dem Fenster in einem Blumenbeet und zog sich lediglich einen Knöchelbruch zu. Die 30.000
Hollandgulden, die er unter der Klosettbürste versteckt hatte, fielen den Häschern in die Hände. Um 7.30 Uhr kehrte die Kommandoeinheit in triumphalem Zug zu ihrer Ausgangsbasis zurück, im Schlepptau fünf verhaftete Steuerhinterzieher, einen übervollen Beutekorb und eine Menge neuer Daten, an denen der Computer reichlich zu kauen haben würde.
Damit begann die wunderbare Karriere des Inspektors Chananja Fischbaum.
Die Nachricht von seinem unheimlichen Talent für die Erfassung von Steuersündern verbreitete sich durch das ganze Finanzamt. Manche wollten es für einen bloßen Zufall halten, dass Fischbaum in einem einzigen Wohnhaus fünf Straffällige erwischt hatte, aber bald gab es keinen Zweifel mehr: es handelte sich um ein übersinnliches Phänomen.
Man erinnere sich nur an den Fall der drei Doktoren Bluebottle.
Der Steuerinformant Nr. 181302 hatte die ESTAK auf einen Dr. Bluebottle hingewiesen, ohne sie mit genaueren Angaben über ihn zu versorgen. Der Computer spuckte drei potentielle Steuerhinterzieher dieses Namens aus. Das Finanzamt raufte sich die Haare - bis jemand auf Fischbaum verfiel.
Man schrieb die Adresse der drei Bluebottles - eines Anwalts, eines Gynäkologen und eines Nationalökonomen - auf ein Papier, das man an Fischbaum gelangen ließ. Fischbaum starrte es eine Minute lang an, konzentrierte sich - und deutete auf den Arzt. Tatsächlich: Dr. med. Bluebottle verfügte über ein nicht deklariertes Einkommen von drei Millionen, eine Badewanne aus Platin und eine beträchtliche Anzahl von Goldbarren.
Fischbaum, der fortan den Kosenamen »Goldfinger« trug, ist noch bei Lebzeiten zu einer Legende geworden. Er braucht nur das Telefonbuch aufzuschlagen, versetzt sich in leichte Trance, lässt seinen Finger über die Seiten gleiten, und wenn er bei einem Namen innehält, kann man Gift darauf nehmen, dass die Kommandoeinheit der ESTAK vom Träger dieses Namens nicht mit leeren Händen zurückkehren wird. Fischbaum irrt sich nicht.
Niemals. Selbst die Parapsychologen stehen verblüfft vor seinem sechsten Sinn. Seit neuestem kann er sogar auf geschriebene Angaben verzichten. Er sitzt nur mit geschlossenen Augen da, meditiert eine Weile und springt plötzlich auf:
»Herr so und so in Rechovot, diese und diese Straße, diese und diese Nummer, dritter Stock, erste Türe rechts!« Und es stimmt.
Unlängst geschah es sogar, dass er auf einen scheinbar harmlosen Spaziergänger deutete und rief: »Haltet ihn! Er ist ein Steuerhinterzieher!«
Der Mann brach zusammen und legte an Ort und Stelle ein Geständnis ab.
Fischbaums Vorgesetzte machen sich schwere Sorgen, wie sie den Wundermann an
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