Mein Freund Jossele
geschehen?«
»Sie ist dick geworden.«
Ich bin Zeuge
In den Korridoren unseres Gerichtswesens herrscht lebhafte Bewegung. Auch wer ein Kavaliersdelikt begangen hat, muss sich verantworten. Dabei tritt neuerdings eine aus Amerika stammende Abart der Rechtsprechung zutage, die darin besteht, dass Staatsanwalt und Kavalier nicht gegeneinander verhandeln, sondern miteinander. Und zwar verhandeln sie über einen Austausch von Vergehen, je nach dem Tageskurs auf der Gesetzbruchbörse und ungefähr nach dem Grundsatz:
»Wenn ich mich in einem bestimmten Punkt schuldig erkläre, bin ich in einem anderen Punkt unschuldig.«
Keine schlechte Idee. Versuchen wir's.
Es war kurz nach 23 Uhr, als ich von einer wilden Orgie nach Hause fuhr. Plötzlich tauchte dicht vor meiner Kühlerhaube ein Hund auf. Ich riss den Wagen nach links, geriet auf den Gehsteig und von dort in einen Obst- und Gemüseladen, schlitterte zwischen sorgfältig angeordneten Zitrusfrüchten und Tomaten hindurch bis an die Rückwand, die ich krachend durchbrach, und landete auf der anderen Seite in einer ruhigen Wohngegend. Ein Laternenpfahl brachte mich zum Stehen und schlug sodann der Länge nach hin.
Nach erstaunlich kurzer Zeit erschien ein Hüter des Gesetzes, zog sein Notizbuch hervor und begann in den Trümmern meines Wagens nach mir zu forschen. Er fand mich schließlich im weit aufgeklafften Kofferraum, einigermaßen verkrümmt zwischen dem Ersatzreifen und der gebrochenen Achse.
»Was ist los?« fragte er.
»Nichts Besonderes«, antwortete ich. »Ich versuche hier zu parken.«
»Keine dummen Witze, Herr! Sie sind vorschriftswidrig gefahren, und das wird Sie teuer zu stehen kommen.«
Ich befreite mich aus meinem ehemaligen Wagen und kroch auf den Vertreter der Staatsgewalt zu:
»Ein Grundsatz unserer Rechtsprechung lautet, dass man unschuldig ist, solange man keiner Schuld überführt wurde. Vergessen Sie das nicht!«
»Mir brauchen Sie nicht zu sagen, was ich nicht vergessen soll. Ich werde Sie jedenfalls zur Anzeige bringen.« »Warum?«
»Weil ich deutlich gesehen habe, wie Sie aus dem Gemüseladen herausgekommen sind.«
»Das tun zahlreiche Hausfrauen jeden Tag.«
»Aber Sie sind vorher hineingefahren.«
»Und? Wozu habe ich einen Wagen? Andere gehen zu Fuß, ich fahre.«
Meine Logik schien ihn zu beeindrucken. Er kratzte sich am Hinterkopf. Dann nahm er wieder Haltung an: »Außerdem parken Sie gerade jetzt auf dem Gehsteig, oder nicht?«
»Nur vorübergehend. Wollen Sie eine solche Kleinigkeit hochspielen?«
Der Ordnungshüter stieg verlegen von einem Fuß auf den anderen:
»Und der zertrümmerte Gemüseladen?«
»Wir wollen Gemüse und Gehsteig scharf auseinanderhalten. Nur nicht zu viel auf einmal. Dann würde ich unter Umständen zugeben, dass ich vorschriftswidrig gefahren bin.«
»Was soll das heißen?«
Ich fasste ihn unterm Arm und begann mit ihm friedlich auf und ab zu gehen:
»Hören Sie zu, mein Freund. Wir beide können nur gewinnen, wenn wir zusammenarbeiten. Das verkürzt den Prozess, und Sie müssen nicht immer wieder vor Gericht erscheinen, um sich von gerissenen Rechtsanwälten ins Kreuzverhör nehmen zu lassen. Seien Sie vernünftig. Sie ersparen sich damit eine Menge Unannehmlichkeiten.«
»Außerdem sind Sie mit achtzig Stundenkilometern gefahren.«
»Warum nicht sechzig? Auch damit habe ich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, und es klingt besser.«
»Und Sie haben einen Hund getötet.«
»Eine Katze.«
Die Untersuchung war an einem toten Punkt angelangt. Nochmals erklärte ich meine Bereitschaft, mich in einigen Punkten schuldig zu bekennen, wenn die Anklage einige andere Punkte fallenließe:
»Lassen wir den Laden beiseite«, schlug ich vor, »und nehmen wir statt dessen den Laternenpfahl.«
»Unmöglich.«
»Gut, nehmen wir beide. Aber mit vertauschtem Schaden.«
»Ich verstehe nicht.«
»Schreiben Sie, dass ich in den Laternenpfahl hineingefahren bin und den Gemüseladen geknickt habe.« »Der Laternenpfahl ist nicht geknickt, Herr. Sie haben ihn umgelegt.«
»Hm. Warten Sie. Mir fällt etwas ein.« Aufs neue trat ich mit meinem Partner einen vertraulichen kleinen Spaziergang an. »Voriges Jahr habe ich einen Fernsehapparat durch den Zoll geschmuggelt, ohne erwischt zu werden. Ich bin bereit, den Schmuggel nachträglich zu gestehen, wenn Sie dafür den Laternenpfahl weglassen.«
»Ganz so wird's nicht gehen. Ich muss ihn zumindest erwähnen. Sagen wir: Sie haben ihn
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