Mein Freund Tutenchamun, Band 2: Grabräuber (German Edition)
Leopardenfell schwenkte kleine Schalen über den Toten, in denen sich glimmendes Räucherwerk befand. Die scharfen Gerüche drangen auch bis zu Herkos und er musste sich zusammenreißen, um nicht zu niesen. Tjesem schnaufte nur.
Der Priester begann damit Gebete zu sprechen und bat darum, dass Osiris den Toten im Reich der Westlichen aufnehmen möchte.
Immer wieder wurden diese Gebete durch lautstarke Klagen von Verwandten des Verstorbenen unterbrochen.
Dann wurde der Aufgebahrte von vier Priestern aus dem Tempel getragen. Der Totenpriester im Leopardenfell ging voran. Zwei bestellte Klageweiber folgten dem Toten und ließen ein lautstarkes Wehklagen hören. Sie standen für die Göttinnen Isis und Nephtys, die die Toten am Eingang der Unterwelt erwarteten. Danach kamen die Verwandten und Familienangehörigen, unter die sich auch Chep-meket einordnete. Durch seinen Trauerbart fiel er dort auf den ersten Blick auch gar nicht so auf. Allerdings war auffällig, dass er als einziger von niemandem umarmt wurde. Das zeigt, dass er dort eigentlich gar nicht hingehört!, dachte Herkos. Ist schon etwas seltsam, wie er sich zur Verwandtschaft mogelt...
Den trauernden Angehörigen folgten die Träger der Grabbeigaben. Volle Weinweinkrüge, Amulette, Schmuck, ein Schreibgriffel aus purem Gold, Kleidung, ein Gürtel mit wertvoller Schnalle und tausend andere Dinge wurden dem Toten hinterhergetragen. Es sollte ihm im Reich der Westlichen an nichts mangeln. Alles, was er in seinem Leben gern gehabt hatte, sollte ihn auch auf seine Reise zu Osiris begleiten.
Schließlich folgten auch der Pharao und sein Gefolge dem Verstorbenen, der draußen vor dem Tempel auf einen Schlitten gelegt wurde. Dieser Schlitten wurde von ein paar Ochsen gezogen.
Der Weg zur eigentlichen Grabstätte war etwas länger. Dass auch Tutenchamun auf dieser Strecke zu Fuß ging, war ein besonderes Zeichen der Ehre für den verstorbenen Wesir.
Vor der Grabhöhle blieb der Zug stehen. Die Bahre mit dem blumenumkränzten Toten wurde vom Ochsenkarren heruntergehoben.
Hier musste das Ritual der Mundöffnung stattfinden. Es sollte bewirken, dass die Seele im Jenseits erhalten blieb und der Tote dort in der Lage war, zu sprechen.
Normalerweise führte es der Totenpriester aus. Bei hohen Amtsträgern oft auch deren Nachfolger. Und so ließ sich Chep-meket von dem Priester im Leopardenfell das Werkzeug geben, mit dem die Mundöffnung durchgeführt wurde. Man nannte es Peschefkaf und es hatte die Form eines Fischschwanzes.
Doch noch ehe Chep-meket sich dem Toten zuwenden konnte, griff Tutenchamun ein.
„Der lebendige Horus selbst wird die Mundöffnung durchführen“, erklärte der junge Pharao zur allseitigen Verwunderung. Die Klageweiber stellten sofort ihr Schreien und Wehklagen ein. Chep-meket wirkte wie erstarrt. Er sah Tutenchamun ungläubig an. Es gefiel ihm nicht, was sein Herrscher gesagt hatte, denn offenbar wollte er dieses Ritual unbedingt selbst durchführen. Aber er wusste auch, dass er dem Pharao nicht widersprechen durfte. „Wie Ihr meint, Herr“, sagte er und verneigte sich dabei.
„Das war nicht abgesprochen!“, raunte Eje den jungen Pharao ärgerlich zu.
„Ich weiß!“, murmelte der junge Pharao. Er schien allerdings nicht im Traum daran zu denken, seinen Entschluss nochmal zu ändern. Stattdessen ließ er sich von Chep-meket den Peschafkaf geben, trat neben das Lager des Toten und führte das fischschwanzförmige Werkzeug ein Stück in den Mund des Toten ein. Dazu sprach er ein Gebet vor sich hin. „Möge sich deine Seele als leicht wie eine Feder erweisen, wenn sie gewogen wird“, sprach der junge Pharao in würdigem Tonfall.
Anschließend brachten die Träger den Verstorbenen hinab in die Grabhöhle, wo der eigentliche Steinsarkophag stand, der Ahmoses Körper und Geist bis in alle Ewigkeit bewahren sollte. Es folgten die Träger mit den Grabbeigaben. Der tote Ahmose sollte auch im Jenseits ein gutes Leben führen können. Neben Schmuck und Nahrungsmitteln wurden sogar Möbelstücke in die Grabkammer gebracht, die man zuvor liebevoll mit Blumen umkränzt hatte.
Inzwischen war es schon fast völlig dunkel geworden. Abydos glich jetzt einem Sternenmeer, denn überall waren Fackeln und Lichter zu sehen. Im Festsaal des neuen Wesirs fand ein großes Mahl zu Ehren von Achmose statt. Die köstlichsten Speisen wurden aufgetragen und Herkos schlug sich so sehr den Bauch voll, dass ihm schon beinahe
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