Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Schimpftirade bedachte, brachte mich schließlich zum Weinen.
»Genau so, du führst dich auf wie ein Baby«, sagte sie wütend. »Das ist bloß noch einer von deinen Tricks. Also hör auf damit, sofort.«
Ich unterdrückte meine Tränen mit aller Macht, aber sie war noch nicht fertig.
»Wo du auch hingehst, hinterlässt du einen Trümmerhaufen. Die Ranch wurde deinetwegen eingerichtet, und jetzt ist sie deinetwegen ein einziger Chaosladen, den ich wieder in Ordnung bringen muss.«
An diesem Punkt hätte sie alles erzählen können, dermaßen absurd waren ihre Anschuldigungen geworden. Und mit ihrer nächsten Drohung setzte sie noch eins drauf. »Wenn du so weitermachst, wird dein Name geändert werden müssen, da er völlig out PR ist.« Sie spielte darauf an, dass ich als eine Miscavige meine Familie repräsentierte und mein Verhalten daher vorbildlich zu sein hatte. »Du wirst ein Programm absolvieren, und du wirst gefälligst kooperieren. Du wirst dich einsichtig zeigen und dich gefälligst daran halten.«
Ihre Stimme klang ernst. »Ja, Sir«, beeilte ich mich zu sagen, als sie sich zum Gehen wandte.
»Werden Sie denn noch mit mir sprechen?«, fragte ich flehentlich und versuchte, nicht wieder in Tränen auszubrechen.
»Ich weiß es nicht, Jenna«, sagte sie und ließ ein wenig Betrübnis und gerade die richtige Dosis Verführung mitschwingen. »Vielleicht, wenn du dein Programm erfolgreich abschließt.« Mit diesen Worten marschierte die ganze Gruppe aus dem Zimmer.
Ich konnte nicht fassen, wie ich es so weit hatte kommen lassen, wie unethisch ich mich verhalten hatte. Ich hatte alles aufs Spiel gesetzt, wofür ich mein ganzes Leben gearbeitet, wovon ich geträumt hatte, und das für einen Typen, den ich erst ein paar Monate kannte. Mir war bewusst, dass ich das wiedergutmachen musste, dass ein langer Weg vor mir lag, aber ich schwor mir, es zu schaffen. Ich war kaum mit dem Gedanken zu Ende, da kehrte Anne Rathbun ins Zimmer zurück, schloss die Tür hinter sich und befahl mir mit durchdringendem Blick, die Mülleimer auszuleeren.
KAPITEL 20
Strafe
Mr. Anne Rathbun unterzog mich einem Ethik-Interview mit E-Meter, im Grunde genommen einem auf eine Sitzung komprimierten Security-Check, und degradierte mich anschließend mit sofortiger Wirkung ins CMO EPF . Nachdem so viel schiefgelaufen war und sich sogar mein Onkel und meine Tante eingeschaltet hatten, war ich noch froh, dass die Strafe nicht schlimmer ausfiel. Ich konnte nicht glauben, dass ich wieder dorthin zurückkehren musste. Um meine Degradierung sichtbar zu machen, musste ich eine andere Uniform tragen. Mayra, Julia und ein weiteres Mädchen waren alle wegen Flirtens ebenfalls ins EPF gesteckt worden.
So streng und abgesondert wie beim RPF war es hier zwar nicht, aber es blieb erniedrigend, und darin lag ja auch die Absicht. Jede Mahlzeit bestand für uns aus Reis mit Bohnen. Ich musste Security-Checks über mich ergehen lassen und wurde dem Wäsche- und Putzdienst zugeteilt. Wohnen durften wir weiterhin in unserem Quartier auf der Hacienda. Anfangs quälte ich mich jeden Abend vor dem Schlafen mit Selbstvorwürfen über meine vielen Schwächen und hielt mich für die unwürdigste Person in der gesamten Sea Org. Ich bedauerte nicht, Martino getroffen zu haben, war jedoch von meinem unethischen Verhalten enttäuscht. Ich verstand nicht, wie ich meine Familie so hatte hintergehen und mich derart gegen sie hatte auflehnen können. Es würde mich noch viel Zeit kosten, so freundlich, respektvoll und glaubenstreu zu werden, wie es von mir erwartet wurde.
Morgens nach dem Aufwachen fühlte ich mich völlig mutlos, ohne Hoffnung auf Besserung, als würde eine dunkle Wolke über meinem Kopf hängen. Mir wurde gesagt, Cece, Martino, Tyler und die anderen hätten sich nur meines Namens wegen mit mir angefreundet, nicht weil ich ihnen sympathisch gewesen wäre. Es wurde mir nicht erlaubt, mit ihnen zu sprechen. Ich besaß kein eigenes Leben und nichts, worauf ich mich hätte freuen können. Es kostete mich alle meine Kräfte, jeden Morgen aufzustehen und die Aufgaben zu erledigen, die mich wieder aus diesem Elend herausbringen sollten. Damit zeigte ich natürlich genau die Reaktion, die man beabsichtigt hatte. In vielerlei Hinsicht ähnelte dies den Empfindungen, die ich mit zwölf bei meiner Ankunft auf der Flag gehabt hatte, doch diesmal war alles noch viel schlimmer.
Mayra hatte den Auftrag, mich zu beobachten und ständig im Blick zu behalten.
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