Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Selbst im Waschraum musste sie vor meiner Kabine aufpassen. Es war mir verboten zu telefonieren, auch mit meinen Eltern. Sogar innerhalb des Wäschereidiensts wurden wir noch herabgestuft. Für die Schmutzwäsche der Leitungsebene waren wir nicht mehr vertrauenswürdig genug, stattdessen mussten wir für die CMO -Mitarbeiter waschen.
Im Zentrum meines Tagesablaufs standen die Security-Checks mit Mr. Rathbun. Inzwischen wurde mir klar, dass alle Freundlichkeit, die sie mir gegenüber demonstriert hatte, nur gespielt gewesen war. Im Grunde genommen hasste sie mich. Da ich jetzt bei Onkel Dave und Tante Shelly in Ungnade gefallen war, hatte sie es nicht mehr nötig, auf meine Verwandtschaftsbeziehungen Rücksicht zu nehmen. Jetzt konnte sie mir in aller Offenheit sagen, was für ein Riesenstück Scheiße ich doch war. Permanent betonte sie, ich würde eigentlich ins RPF gehören und wäre nur mit viel Glück davongekommen. Manchmal fand ich den Mut, ihr zu sagen, dann solle sie mich doch einfach überstellen, statt hier ihre kostbare Zeit mit mir zu verschwenden. »Vielleicht tue ich das auch«, schnappte sie dann zurück, ohne jedoch jemals etwas zu unternehmen.
Unsere Sitzungen waren lächerlich. Der Ablauf blieb immer der gleiche.
»Hast du deinen Namen in unangemessener Weise dazu benutzt, deine persönlichen Wünsche durchzusetzen?«, fragte sie etwa und sah mich erwartungsvoll an, so als hätte der E-Meter das bereits bestätigt.
»Nein«, antwortete ich dann, woraufhin sie rot anlief, die Lippen zusammenpresste und sich anscheinend nur mit größter Selbstbeherrschung davon abhalten konnte, mir für diese dürftige Antwort auf ihre Frage nicht eine schallende Ohrfeige zu verpassen.
Anschließend wiederholte sie zwanzig Minuten die gleiche Frage, bis ich mir endlich etwas aus den Fingern sog.
»Also gut«, begann ich an diesem Punkt und erklärte beispielsweise: »Letztens kam der Steward vom Service an unseren Tisch und fragte, ob wir noch etwas bräuchten, und ich bat ihn, ein wenig Butter zu bringen. Sofort war er mit der Butter zurück, und ich hatte den Eindruck, er beeilte sich nur so sehr, weil er wusste, wer mein Onkel war, und prompt hatte ich ein schlechtes Gewissen.«
Meine Antworten stachelten Mr. Rathbun unvermeidlich dazu an, sich noch üblere Dinge auszudenken. »Und, führte deine Bitte dazu, dass er die anderen nicht mehr nach bestem Vermögen bedienen konnte?« Gefolgt von: »Wie viele andere konnte er nicht bedienen, weil er zu sehr damit beschäftigt war, dir deine Sachen zu bringen?«
Der E-Meter hielt fünfzehn für die richtige Antwort, also stimmte ich einfach zu. So liefen diese Security-Checks. Wer nichts zu gestehen hatte, musste geschickt genug sein, aus dem Stegreif etwas Passendes zu erfinden, um es hinter sich zu bringen.
War ich nicht beim Saubermachen, Wäschewaschen oder in Sitzungen bei Mr. Rathbun, dann hörte ich mir in der Mitarbeiterschule LRH s State of Man -Kongressvorträge an. Im typischen LRH -Stil rangierten die Themen dieser Vorlesungen von diversen griechischen Philosophen über die Geschichte des alten Roms und dessen Niedergang wegen Out 2Ds bis zu all den früheren Leben, die L. Ron Hubbard während dieser Zeiträume angeblich gelebt hatte. Letzten Endes ging es darum, wie wichtig Ehrlichkeit und untadelige Gefolgsleute waren. Alle, die Scientology ablehnten oder die schlecht über andere Menschen oder Dinge sprachen, taten das nur, weil sie etwas Schändliches zu verbergen hatten. Inwiefern ihre Aussagen tatsächlich zutrafen, spielte dabei keine Rolle.
Mit anderen Worten, wer mit etwas nicht einverstanden war und den Mund aufmachte, dem wurde vorgeworfen, bloß selbst etwas zu verbergen zu haben. Und wenn sich in dessen heutigem Leben nichts finden ließ, dann musste dieses Fehlverhalten aus der persönlichen Vergangenheit rühren. Daher war mir nie klar, ob ich womöglich nur so fühlte, weil ich in meinem früheren Leben die schrecklichsten Verbrechen begangen hatte, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Verbrechen, die so schlimm waren, dass sie in meinem tiefsten Inneren vergraben waren. Worin aber bestanden diese verborgenen Verbrechen, die mir jeder einzureden versuchte?
An einem der vielen eintönigen Tage saß ich mittags in den Schulungsräumen und hörte meine Bänder, als ein Mädchen eintrat, dessen Gesicht mir bekannt vorkam. Es war Kiri, ihm folgten ungefähr zwanzig weitere Kids von der Ranch, darunter auch B. J. Ich war verblüfft.
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