Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
versuchte. Als es mir endlich gelang, mischte sich auch noch meine alte Freundin Melinda Bleeker ein und warf sich auf mich. Ich spuckte ihr ins Gesicht, woraufhin sie mich einen Moment lang losließ. Womöglich hätte ich es sogar aus der Tür geschafft, wäre nicht der herbeigerufene Security Guard gewesen, der gerade mit dem Fahrrad ankam. Er sagte mir, dass ich nirgendwohin gehen würde, und er klang äußerst entschieden.
Inzwischen wollte ich nur noch weg und strampelte wild mit Armen und Beinen. Ich versuchte sie abzuschütteln, aber sie zogen mich in alle vier Richtungen. Und selbst wenn ich mich von einem oder mehreren Mädchen losreißen konnte, kam ich noch immer nicht an dem Sicherheitsmann vorbei. Die rückwärtige Tür war nach Mayras kürzlichem Fluchtversuch fest verschlossen, womit diese Option also auch wegfiel. Außerdem ließ sich Mayra die Chance zur Rehabilitation nicht nehmen und hielt mich gnadenlos umklammert.
Einige Male konnte ich mich fast befreien. Dann sah ich Tom vor der Tür stehen. Anscheinend hatte Olivia ihn benachrichtigt. Er wollte auf die ernste, rationale Weise versuchen, mich in den Griff zu bekommen. Zuerst weigerte ich mich vor lauter Wut, mit ihm zu reden, doch rasch wurde mir bewusst, dass er allein mich hier rausholen konnte.
»Beruhige dich, Jenna«, sagte er, »dann werde ich mich oben in meinem Quartier mit dir unterhalten und sehen, ob wir zu einer Lösung kommen.« Mein vergeblicher Kampf hatte mich erschöpft, und so willigte ich zögernd ein.
Oben in seinem Zimmer setzten wir uns beide hin. »Dass es so weit kommt, habe ich nicht gewollt, aber ich begreife nicht, was in dich gefahren ist. Als wärst du plötzlich ein anderer Mensch geworden. Was ist los?«
Idiotischerweise bemühte ich mich ehrlich zu sein. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte mit Martino, wie ich zur CMO stand und warum ich den Antrag an Tante Shelly geschrieben hatte. Als ich fertig war, schwieg er einen Moment und schien über das Gesagte nachzudenken.
»Ich verstehe, Jenna. Ich werde versuchen, morgen alles wieder in Ordnung zu bringen.«
Am nächsten Morgen ging ich zum Kurs, wo ich Martino sah und ihm erzählte, was geschehen war. Er war beunruhigt und sorgte sich um mich. In seinen Ohren klang die ganze Situation verrückt. Etwa eine Stunde später erschien Tom im Kursraum und erklärte, Martino und ich sollten ihm folgen. Ich bat Tom, Martino aus der Sache rauszuhalten, und er tat mir zumindest vorläufig den Gefallen.
Wir fuhren eine Weile, und ich merkte, dass wir zur Hacienda zurückkehrten. Er sagte mir, ich würde auf der Hacienda MEST -Dienst verrichten und mein Programm absolvieren. Abgesehen von Martinos Entlastung hatten all meine Worte ganz offensichtlich nichts bewirkt. Erwartete man nun wirklich, ich würde Reue zeigen und meine Strafe akzeptieren? Ich lehnte jede Maßregelung ab, die meinem Vergehen nicht angemessen war.
Meine Wut kochte wieder hoch, und ich verweigerte erneut jeglichen MEST -Dienst. Mayra drang mit unterschiedlichen Taktiken auf mich ein, schrie mich an, redete mit mir, flehte mich an, aber ich gab nicht nach. Natürlich hatte ich schreckliche Angst, aber ich wollte nicht länger in der CMO bleiben, und das erklärte ich Mayra auch. Ich sagte sogar, dass ich mir nicht mehr sicher sei, der Sea Org angehören zu wollen. Wie jedes gute Sea Org-Mitglied berichtete sie all das natürlich sofort nach oben.
An diesem Abend kam Tom in mein Zimmer. »Deine Eltern sind am Telefon und wollen mit dir sprechen.« Tom blieb während des Gesprächs direkt neben mir sitzen. Sie erzählten, dass sie gehört hätten, ich würde in Schwierigkeiten stecken. Sie erinnerten mich daran, was ich bereits geleistet hatte, wie stark ich war und dass ich diese Phase meistern konnte. Auch sie hätte ihr Programm erfolgreich zu Ende geführt, erwähnte Mom noch, um mich zu beruhigen und zu motivieren. Außerdem würde sich Tom um mich kümmern, das habe er versprochen. Seit meiner Übersiedlung nach Florida war Tom mein Guardian , und im Großen und Ganzen waren wir immer gut miteinander ausgekommen. Das hatte sich mit dem letzten Vorfall jedoch vollkommen geändert.
»Denk daran, uns anzurufen und auf dem Laufenden zu halten«, sagten sie.
»Ich rufe euch morgen zurück, wenn ich kann.«
Ich war weiter fest entschlossen, nicht nachzugeben. Ich blieb einfach stur. Vor harter körperlicher Arbeit hatte ich keine Angst, daran lag es nicht. Es ging ums Prinzip. Ich hatte bereits
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