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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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Inzwischen hatte ich nichts mehr zu verlieren, also nahm ich Anlauf und warf mich krachend gegen die Tür. Beim zweiten Versuch flog sie trotz des Schließriegels auf. Ihr genervter Gesichtsausdruck wich blankem Entsetzen. Wie erstarrt verfolgte sie, wie ich in den Unterlagen zu wühlen begann, die im Zimmer verstreut lagen, und nach Anhaltspunkten für seinen Aufenthaltsort suchte. In einem der Stapel stieß ich auf einen Bericht von jemandem, der einen Security-Check bei ihm durchgeführt hatte. Er beinhaltete sämtliche pikanten Details unseres intimen Zusammenseins, was mich zwar nicht verwunderte, mich aber dennoch ärgerte.
    Beim Überfliegen der Seiten stieß ich auf den Namen seines Auditors: Tessa, vom Office of Special Affairs. Ich rannte an der noch immer reglos dastehenden Mr. H vorbei durch die Tür und die Treppe hinunter zu den Auditing-Räumen der OSA . Da ich Tessa nirgends finden konnte und mir niemand sagen wollte, wo sie war, wartete ich draußen vor dem Gebäude auf sie.
    Ein paar Minuten später kam Tessa zusammen mit einer anderen Frau aus dem Vordereingang des HGB und ging auf ein Auto zu. Ich hielt sie auf und verlangte zu wissen, wo Dallas steckte, aber sie weigerten sich, mit mir zu sprechen. Vor ihrer Abfahrt gab sie mir noch den Rat, mir keine Sorgen um Dallas zu machen, sondern lieber selbst wieder auf die Beine zu kommen.
    Während der folgenden zwei Wochen setzte ich meine Suche nach Dallas fort und verbrachte quälend lange Tage damit, sämtliche Sea Org-Gebäude in L. A. nach dem Ort zu durchforsten, an dem sie ihn versteckt hielten. In meiner offiziellen Sea Org-Uniform ging ich durch die Flure und suchte in beharrlicher Detektivarbeit nach Hinweisen. Und auch wenn ich keine Türen mehr aufbrach oder Straßen hinuntersprintete, so wuchsen doch mit jedem Tag meine Wut und meine Entschlossenheit.
    Ich glaubte nicht ernsthaft daran, konkrete Ergebnisse erzielen zu können, aber immerhin gewann ich Zeit, um über die letzten Wochen und die Art, wie sie mich behandelt hatten, nachzudenken. In vielerlei Hinsicht war ihr Verhalten ungewöhnlich. Früher einmal hätte mir ein Wutanfall wie der bei Sylvia im Auditing-Raum eine saftige Strafe eingebracht, aller Wahrscheinlichkeit nach RPF . Stattdessen drohten sie mir zwar ständig mit RPF , aber das schien alles nur Gerede zu sein. Wenn sie hart gegen mich hätten vorgehen wollen, wäre nach der Sitzung mit Sylvia der beste Zeitpunkt gewesen. Doch sie taten nichts, sondern ließen mich unbehelligt durch die Flure der PAC Base laufen. Natürlich folgte mir dabei eine Aufpasserin auf Schritt und Tritt, aber aufzuhalten versuchte sie mich nicht.
    Diese Inkonsequenz in ihrem Vorgehen war schwer nachvollziehbar und ließ mich darüber grübeln, was wohl hinter den Kulissen vor sich ging. Sie befanden sich ganz offensichtlich in einem Zwiespalt. Einerseits wollten sie mich gerne bestrafen, andererseits schien es da etwas zu geben, das sie davon abhielt. Es war naheliegend, dass dieses Zögern irgendwie in Verbindung mit meinen Eltern stand. Sollte die Church mich in die RPF stecken, müsste sie das meinen Eltern gegenüber erklären, die darauf sicherlich nicht sehr begeistert reagieren würden. Ganz abgesehen von all den anderen, die sich fragen würden, wie eine Miscavige denn derart ungehorsam sein konnte, dass sie die schwerste Strafe überhaupt verdiente.
    Meine Eltern bildeten also zweifellos einen Faktor, doch es musste da noch mehr geben. Schließlich hatte ich mich der Strafe für mein Out 2D verweigert, womit ich vor aller Augen auf gravierende Weise den Sittenkodex der Gruppe verletzt hatte, und zeigte jetzt nicht einmal Reue, sondern lehnte mich weiter gegen sie auf. Im Vergleich dazu wirkte ihr Verhalten besonders widersprüchlich, so als könnten sie sich nicht entscheiden, wie sie mit der Situation umgehen sollten.
    Womöglich war denen da oben ja auch inzwischen klar geworden, dass ich sowieso nicht in die RPF gehen würde. Seit sie mir Dallas genommen hatten, glaubte ich nicht, noch viel zu verlieren zu haben. Eher hätte ich bei der Polizei angerufen und eine Vermisstenanzeige nach Dallas aufgegeben, als in eine weitere Bestrafung einzuwilligen, die ich nicht verdient hatte. Dass sie es mittlerweile bedauerten, unsere Hochzeit verhindert zu haben, bildete ich mir nicht ein, aber zumindest schienen sie nun ratlos vor den Folgen ihrer Entscheidung zu stehen. Nachträglich einwilligen konnten sie nicht, da das im Grunde unsere Taten

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