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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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herüberkommen würde und ich ihn treffen könne. Daraufhin kletterte ich in den Raum zurück. Endlich hatte jemand meine Entschlossenheit, Dallas zu sehen, ernst genommen.
    Etwa eine Stunde später stieg Dallas aus dem Fahrstuhl. Er wirkte stark mitgenommen und besorgt. Ich wollte ihn umarmen, doch stattdessen überwältigte mich plötzlich wieder der Zorn.
    »Wo hast du gesteckt?«, wollte ich schluchzend wissen. »Warum hast du nicht nach mir gesucht?«
    »Es tut mir leid, Jenna. Das kann ich dir nicht sagen.«
    Bei diesen Worten verflog alle Erleichterung, die ich bei seinem Anblick verspürt hatte, und übrig blieb nur das schmerzvolle Bewusstsein über die Wahl, die er getroffen hatte. Er mochte behaupten, mit mir zusammen sein zu wollen, aber sobald er zwischen mir und der Church, zwischen meiner Sicherheit und dem Befolgen von Anweisungen wählen musste, dann würde er sich für die Church entscheiden. Das war uns nun beiden klar. Obwohl ich ihn endlich gefunden hatte, war er nun eigentlich endgültig für mich verloren. Es überstieg meine Kräfte. Ich begann auf ihn einzuschlagen. Da er viel größer und stärker war, blieben meine Aktionen wirkungslos, was mich nur noch mehr in Rage versetzte.
    Und deshalb kletterte ich zum zweiten Mal an diesem Abend auf das Fensterbrett hinaus.
    Heute weiß ich, dass Menschen, die im Stich gelassen wurden, das Bedürfnis verspüren, Menschen aus ihrem nächsten Umfeld zu testen, um zu sehen, ob diese sie genauso im Stich lassen, wenn es wirklich ernst wird. Im Rückblick fällt es mir schwer einzuschätzen, ob ich an diesem Abend ihn, die anderen oder mich selbst testen wollte. Ich weiß noch immer nicht, ob ich damals wirklich springen wollte, aber ich weiß noch ganz genau, wie ich in diesem Moment draußen vor dem Fenster noch einmal alle schmerzvollen Verluste spürte, die mir die Church immer und immer wieder zugefügt hatte: meine Eltern, mein Bruder, meine Freunde. Wenn sie mir jetzt noch Dallas nahmen, dann erschien ein Sprung aus dem Fenster gar keine so schlechte Idee.
    Der Himmel wurde immer dunkler, aber ich versuchte, nur nach unten zu sehen und mir meinen nächsten Schritt zu überlegen. Ich fragte mich, ob ich Schmerz fühlen oder sofort tot sein würde. Die Gedanken an Schmerzen verdrängte ich schnell wieder und dachte daran, dass ich doch ein Thetan war. Irgendwie glaubte ich noch immer daran. Aber statt mir Kraft zum Leben zu schenken, drängte mich diese Thetan-Vorstellung in die andere Richtung. Schließlich würde ich nach dem Tod einfach in einem neuen Körper wiedergeboren werden. Das klang beruhigend. Ich konnte einen Schlussstrich ziehen und neu beginnen, vielleicht mit einer neuen Familie. Schließlich standen mir eine Milliarde Jahre zur Verfügung. War es da so schlimm, ein Leben wegzuwerfen, wenn mir noch Tausende blieben?
    Dallas erkannte, wie ernst es mir war, als ich ihn fragte, ob ich sofort tot sein würde. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er nahm meine Hand und versprach mir zu erzählen, wo er gewesen und was alles geschehen war. Nach diesem Versprechen ließ ich mich durch das Fenster nach innen ziehen, wo wir uns in die Arme schlossen. Vielleicht bedeutete ihm mein Leben ja doch etwas.
    Seinem Bericht zufolge hatte man ihn in der PAC festgehalten, im Kellergeschoss unter der Beobachtungsstation. Dort war er ständigen Security-Checks unterzogen worden und hatte ansonsten Abrissarbeiten verrichten und Fliesen legen müssen. Bei den Briefen, die er mir geschrieben hatte, war ihm der Inhalt vorgegeben worden, den er dann nur in eigene Worte kleiden sollte. Und wie ich erwartet hatte, hatte man ihn bei unserem kurzen Telefonat kontrolliert. Linda hatte ihm zugeflüstert, was er sagen konnte und was nicht. Man hatte ihn mit der Drohung erpresst, bei Widerstand würde man ihn zur Suppressive Person erklären und er würde weder seine Familie noch mich je wiedersehen. Er sagte mir, er habe nur tun wollen, was für alle das Beste war.
    Nur zu gern hätte ich mich damit getröstet, dass Dallas mein Leben offensichtlich wichtig genug war, um zumindest eine Regel zu übertreten. Seine Betroffenheit war echt, er hatte in einer schrecklichen Zwickmühle gesteckt und nicht gewusst, was er tun sollte. Dafür fühlte ich mich prompt wieder als der schlechteste Mensch auf der Welt, genau wie sie es mir immer eingeredet hatten. Diesmal tat ich mich jedoch schwer, mein eigenes Martyrium zu vergessen. Aus Liebe zu ihm und der Angst, von ihm getrennt

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