Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Klage der Familie, hatte die Seiten gewechselt. Jetzt unterstützte er nicht länger die Anklage, sondern die Haltung der Church. Ich kannte Bob Minton noch als Anführer der Lisa McPherson-Stiftung vor der Base. Wenn das OSA über unsere Feinde sprach, die Demonstrationen veranstalteten und die Church zerstören wollten, dann nahm sie regelmäßig auf ihn Bezug. Minton und seine Frau waren die lautstärksten Protestler vor der Flag Land Base gewesen. Doch nun hatte er in einer Verhandlung ausgesagt, dass der Anwalt der McPhersons ihn dazu gezwungen habe, falsch auszusagen, Prozessdokumente zu fälschen und Stimmung gegen Scientology zu machen. Im Gegenzug erklärte der Anwalt der McPhersons, Minton sei von der Church unter Druck gesetzt worden. Alle strafrechtlichen Anschuldigungen gegen die Church waren bereits 2000 verworfen worden, nachdem der Gerichtsmediziner die Todesursache von »unbekannt« in »Unfall« geändert hatte.
Abgesehen von den wöchentlichen Kontakten verlief unser Aufenthalt in Big Bear erstaunlich ungestört und friedlich. Ich habe nie wirklich verstanden, warum sie mich dorthin schickten. Vielleicht wollten sie damit bei meinen Eltern punkten. Vielleicht hing es mit meiner Selbstmorddrohung zusammen, die mich automatisch zu einer Geisteskranken und einer Potential Trouble Source machte. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich eine Miscavige war und die einzige Alternative zu diesem Zeitpunkt, nämlich mein Austritt, eine schlechte PR bedeutet hätte. Bestimmt waren sie davon ausgegangen, dass die Isolation in Big Bear mich beruhigen und milder stimmen würde. Zudem konnte sich in der Zwischenzeit die Aufregung über den Zwischenfall legen, und niemandem würde auffallen, wie harmlos meine Bestrafung ausgefallen war.
Worin auch immer die Absichten der Church gelegen haben mochten, beruhigend wirkte der Aufenthalt tatsächlich auf mich. Vor Big Bear war ich ein wandelndes Pulverfass gewesen, aber ein paar Wochen ohne Angst, Dallas zu verlieren, mit regelmäßigem Essen und ausreichend Schlaf, und es ging mir deutlich besser.
Meine Zweifel an der Church konnte das allerdings nicht ausräumen. Im Gegenteil, in gewisser Hinsicht verließ ich Big Bear entschlossener denn je, mich ihren Forderungen nicht mehr zu beugen. Es gab einfach Dinge an Scientology, mit denen ich nicht einverstanden war – die penetranten Fragen, das sinnlose Auditing, die endlosen Security-Checks. Manchen Menschen halfen diese Dinge womöglich, aber ich hatte erkannt, dass sie meinen Zustand nur verschlimmerten. Außerdem fand ich es ausgesprochen ungerecht und widersinnig, dass ich immer und immer wieder für Sachen bestraft wurde, an denen ich keine Schuld trug. Wenn ich auf meine Vergangenheit zurückblickte, wurde mir eins klar: Die Leute in der Church würden erst dann aufhören, mich auszunutzen, wenn ich nein zu ihnen sagte, selbst wenn ich sie damit zur Weißglut trieb.
Bisweilen brachte ich Dallas mit dieser Einstellung gegen mich auf. Zwar hatte auch er seine Probleme mit der Church und stellte vieles in deren Umgang mit uns in Frage, doch zugleich fiel es ihm schwer nachzuvollziehen, warum ich mich weigerte, zu kooperieren und die mir auferlegten Strafen abzuleisten. Seiner Meinung nach sollten wir diese Dinge einfach akzeptieren, hinter uns bringen und weitermachen. Doch in meinen Augen führte das nur dazu, dass sie uns noch mehr herumkommandierten. Je mehr Macht wir ihnen über uns gaben, desto mehr davon würden sie in Anspruch nehmen.
Solange wir nicht verheiratet waren, hatte sich im Grunde nichts geändert. Alles, was vorher passiert war, konnte erneut passieren. Bis wir verheiratet waren, würden wir ständig in Gefahr schweben. Und direkt bei unserer Rückkehr sechs Wochen später zeigte sich, dass diese Befürchtung auch berechtigt war.
Bevor wir alle nach L. A. zurückfuhren, kam Mr. Wilhere zu mir und verkündete mir unser Schicksal. Dallas und ich würden unserer Posten im Flag Liaison Office enthoben werden, degradiert und dem Werksbereich auf der PAC Base überstellt, um dort in der Holzwerkstatt zu arbeiten. Die abschließende Warnung lautete, dass wir auf der Kippe zum RPF stehen.
Die Vorstellung, auf der PAC Base einfache Hilfsarbeiten zu verrichten, klang gar nicht so schlecht. Es wäre schön, einmal weniger Verantwortung zu tragen. Wir würden in der Zimmerei mitarbeiten. Was ich dagegen hatte, war nur, dass sich nichts in den sechs Wochen geändert hatte. Noch immer würden wir
Weitere Kostenlose Bücher