Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
unterzogen, in denen nachgeforscht wurde, aus welchen Beweggründen sie auf die betreffende Mission gehen wollten. Dallas und ich blieben davon verschont. Außerdem hätten wir einen detaillierten Missionsauftrag mit umfassenden Angaben zu den angestrebten Zielen, abgesegnet vom RTC , studieren müssen, auf dessen Verständnis wir in einer anschließenden Prüfung getestet und bewertet worden wären, bevor wir zu guter Letzt noch jede Zielvorgabe in Ton hätten modellieren müssen. Nichts von alledem fand statt. Der Missionsauftrag, der uns ausgehändigt wurde, schien erst zwei Minuten vor unserer Abfahrt zum Flughafen geschrieben worden zu sein. Er war in aller Eile zusammengeschustert, ausgedruckt und in den alten Auftrag von anderen Leuten eingefügt worden. Demnach lautete unsere Mission: »Finden Sie ein Gebäude in Kentucky.«
Die ganze Sache war höchst sonderbar. Warum diese Mission und warum wir? Es schien nur darum zu gehen, uns für eine Weile »offline« zu nehmen und unsichtbar zu machen. Keiner von uns verstand, was dahintersteckte, aber wir fragten auch nicht allzu beharrlich nach. Wir waren nur froh, gemeinsam nach Australien gehen zu können.
Im Januar 2004 startete unser achtzehnstündiger Flug nach Sydney. Australien versprach eine spannende Erfahrung zu werden, so viel war uns vom ersten Augenblick an klar, als wir aus dem Flugzeug stiegen.
In Canberra hatten wir ungewohnt viele Freiheiten. Wir konnten gehen, wohin wir wollten. Da ein Mietwagen zu teuer war, kauften wir uns Fahrräder, um mobiler zu sein. Zum ersten Mal musste ich mich selbstständig in der realen Welt zurechtfinden. In Clearwater hatte es viel mehr Scientologen gegeben, in Canberra waren es nur eine Handvoll. Wir lebten inmitten von Wogs. Zuerst beunruhigte mich das ein wenig, aber mit der Zeit lernte ich immer mehr von ihnen kennen und gewöhnte mich daran.
Die Church kam für unseren Lebensunterhalt auf, bezahlte unsere Wohnung und unsere Lebensmittel. Allerdings mussten wir ständig darum kämpfen, dass die Überweisungen auch pünktlich eingingen. Ich musste Kochen lernen, da ich mein ganzes Leben in Kantinen durchgefüttert worden war, und es war sehr ungewöhnlich, mit einem Mal keinen großen Essenssaal mehr zu haben, in den man einfach gehen konnte. Ob nun beim Einkaufen im Supermarkt oder beim Kochen zu Hause, ich hatte das Gefühl, permanent nur mit Essensfragen beschäftigt zu sein. In der Anfangszeit traute ich mich noch nicht, den Herd zu bedienen, und Dallas übernahm das Kochen. Manchmal gingen wir auch essen. Als ich mich endlich am Nachkochen von Rezepten versuchte, machte es mir zwar Spaß, aber die Ergebnisse waren in der Regel ungenießbar. Alles, was ich kochte, schmeckte ekelhaft.
Dabei war das Kochenlernen nur die Spitze vom Eisberg. Die größte Herausforderung stellte für uns der Job selbst dar. Wir sollten für die Scientology-Gemeinde in Canberra ein neues Haus finden, Spenden zum Ankauf sammeln, das Gebäude erwerben und für seine Renovierung sorgen. Da Scientology gerade einheitliche Standards für alle neuen Kirchengebäude einzuführen versuchte, musste die Immobilie über wenigstens 2300 Quadratmeter verfügen, andernfalls würde sie nicht genehmigt werden. Darüber hinaus sollte sie verkehrsgünstig gelegen sein und nicht zu firmenartig aussehen, lieber etwas alteingesessener und geschmackvoller. Wie wir bei unseren Recherchen schnell feststellten, würde ein Gebäude, das all diese Kriterien erfüllte, mehrere Millionen Australische Dollar kosten.
Unser Problem war nun, dass es in ganz Canberra nur fünfzehn bis zwanzig praktizierende Scientologen gab. Die ganze Situation in Canberra unterschied sich erheblich von den Beschreibungen in unserem Missionsauftrag. In Wahrheit bestand die lokale Organisation aus gerade mal zehn Menschen, die lediglich Einführungskurse erteilten. Nicht einmal Auditing fand statt, das zentrale Angebot jeder Scientology-Organisation. Und dann hatte man sie auch noch aus ihren bisherigen Räumlichkeiten geworfen, nachdem sie sechs Monate die Miete schuldig geblieben waren.
Auf ihrer Liste potentieller Spender führte die Kirche jeden, der irgendwann einmal der Kirche gegenüber seinen Namen für einen Kurs, einen Stresstest oder zu irgendeinem anderen Zweck angegeben hatte, selbst wenn die meisten von ihnen nie zurückgekommen waren. Erschwerend kam hinzu, dass Dallas und ich in unserem Leben noch keinen einzigen Cent an Spenden eingetrieben hatten. Unser Team
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