Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
Vom Netzwerk:
wurde, dem ein bisschen Abhärtung gut täte.
    Wenn ich mich rückblickend frage, warum ich mich nicht dagegen aufgelehnt habe, kann ich nur sagen, dass mein Leben dann noch schwerer geworden wäre. Wer die Regeln nicht befolgte, wurde von der Gruppe getrennt und gezwungen, seinen Fehler wiedergutzumachen. Er hatte keine Freizeit mehr und durfte an Feiern und besonderen Veranstaltungen nicht teilnehmen. Wenn man die Regeln nicht befolgte, wurde man unweigerlich dazu gebracht, sich wieder nach ihnen zu richten. Also war das kein Ausweg. Ungehorsam hätte es mir nur schwerer gemacht, voranzukommen und die Ranch zu verlassen.

KAPITEL 6
Das Leben eines Kadetten, Teil II
    Die Vormittage eines Kadetten galten den Posten und der körperlichen Arbeit, die Nachmittage der Ausbildung.
    Nach den Decks kamen das Mittagessen und das Aufräumen, gefolgt von der Ausbildung, die gegen Viertel vor zwei begann. Unsere akademische Ausbildung umfasste die üblichen Fächer wie Mathematik, Geographie, Lesen, Buchstabieren und Geschichte, doch wir mussten selbstständig mit Hilfe von Lehrbüchern und Prüfungsbögen, die man uns gab, lernen. Regulären Unterricht mit einem Lehrer gab es nicht. Wir durften nicht mal das Wort ›Lehrer‹ benutzen, da dieser Begriff durch ›Kursleiter‹ ersetzt worden war. Auch hieß es nicht ›Klassenzimmer‹, sondern ›Kursraum‹, nach L. Ron Hubbards so treffend betiteltem Grundsatzschreiben Was ist ein Kurs?
    Während unserer Kurszeit mussten wir uns täglich durch einen Supervisor prüfen lassen. Dazu benutzte man eine von LRH s Erfindungen namens Elektropsychometer , die aber von allen nur kurz E-Meter genannt wurde. Der Prüfling musste in jeder Hand eine Blechdose halten. Dann wurde ein wenig Strom über die Dosen durch seinen Körper geleitet, während er befragt wurde. Der E-Meter hatte eine Nadel, die nach jeder Frage ausschlug, diese Ausschläge wurden dann vom Supervisor interpretiert. Wenn man sorgfältig die Bewegungen der Nadel beobachtete, konnte derjenige, der den E-Meter bediente, angeblich sehen, ob der Befragte die Wahrheit sagte. Die Idee dahinter war, dass der E-Meter wunde Punkte im Unterbewusstsein aufspürte, derer man sich vielleicht nicht bewusst war, die aber geklärt werden mussten. Diese Punkte kamen dann im Auditing zur Sprache. Mit anderen Worten: Der E-Meter war ein Instrument zur Unterstützung des Auditing-Prozesses.
    Mit unseren täglichen Meter-Checks sollte herausgefunden werden, ob wir während unserer Studien auf etwas gestoßen waren, das wir nicht ganz verstanden hatten. Bei Scientology war man überzeugt, dass man, wenn man in einem Text ein Wort oder eine Passage nicht nachvollziehen konnte und daran vorbeilas, weder beim Lernen noch im Leben Erfolg haben würde. LRH behauptete, der Versuch, um ein unverstandenes Wort herumzulernen, sei der ausschlaggebende Faktor für Dummheit, die Wurzel allen Fehlverhaltens, das bis zur Kriminalität führen könnte. LRH schrieb: »Wenn man an einem Wort vorbeiliest, das man nicht versteht, überkommt einen ein Gefühl der Leere, einen innerlichen blinden Fleck, so, als wäre man nicht da, und das kann bis zu nervöser Hysterie führen.« Dies, sagte er, könne einen sogenannten Blow herbeiführen, der einen unter Umständen dazu triebe, mit dem Lernen aufzuhören oder den Kursraum zu verlassen.
    Man klärte ein Wort, indem man die korrekte Definition im Wörterbuch fand und es dann in eigenen Sätzen immer wieder verwendete, bis man es sich angeeignet hatte. Dieser Prozess wurde mit jeder Bedeutung des Worts inklusive aller Synonyme und Idiome wiederholt. Doch Gott bewahre, wenn man beim Lernen dieser verschiedenen Bedeutungen und Ursprünge des Worts auf einen anderen Begriff stieß, den man nicht verstand. Dann hatte man ganze Wortketten, die man klären musste, und saß stundenlang vor den Wörterbüchern, nur um nicht durch den Meter-Check zu fallen. Den Ursprung des Wortes musste man auch immer kennen.
    Fiel man beim Meter-Check durch, musste man wieder ganz von vorne anfangen und jedes einzelne Wort aufschreiben und klären, das man nicht verstanden hatte. Das Gleiche musste man mit jedem falsch verstandenen Wort wiederholen.
    Mir waren die Meter-Checks verhasst, sie machten mich ungeheuer nervös. Sie wurden vor der ganzen Klasse durchgeführt, und alle bekamen es mit, wenn man durchfiel. Die Kursleiterin fragte zum Beispiel:
    »Hast du bei deinen Studien irgendein Wort oder Zeichen gelesen, das du nicht

Weitere Kostenlose Bücher