Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
vollkommen verstanden hast?«
Dann sah sie erwartungsvoll auf den E-Meter, um festzustellen, ob man durchkam oder nicht. Fiel man durch, sorgte sie dafür, dass die ganze Klasse es hörte.
Abgesehen von den Meter-Checks kamen von der Kursleiterin so gut wie keine Anweisungen. Wenn man etwas im Text nicht verstand, fragte sie nur, welches Wort genau man nicht verstand, half einem aber nicht, die Sache zu klären. Der Gedanke dahinter war, dass Erklärungen von Seiten des Kursleiters nicht hilfreich waren, weil man dann allein durch die Frage nach der Bedeutung eines Wortes und damit faktisch mit einem missverstandenen Wort durchkam. Es ist kein Wunder, dass mir auch die Schule immer weniger gefiel. Vor meiner Zeit als Kadett war ich ein ziemlich kluges Kind gewesen, das sehr gerne las, aber schon nach kurzer Zeit raubten mir diese monotonen und ermüdenden Lehrmethoden jegliche Motivation. Ganz gleich, welchen pädagogischen Wert es auch haben mochte, die Definitionen von Wörtern zu lernen, er wurde durch den unpraktischen und beschränkten Lernprozess ohnehin wieder zunichtegemacht. Obwohl ich schon früh lesen und schreiben konnte, verlor ich durch die reine Konzentration auf einzelne Wörter die Lust an beidem.
Die Meter-Checks fand ich besonders nervenaufreibend, und ich tat alles, um sie zu vermeiden. Wenn man gerade ein Wort klärte, konnte man nicht geprüft werden, also hatte ich immer ein Wörterbuch vor mir aufgeschlagen und tat so, als würde ich ein Wort prüfen oder es in Sätze einbinden. Zwar ersparte ich mir dadurch die Peinlichkeit, beim Meter-Check durchzufallen, kam aber beim Lernen nicht weiter. Es war reine Ablenkung. Ich war so damit beschäftigt, einzelne Begriffe zu klären, dass ich den Text, den ich eigentlich lesen sollte, nicht mehr verstand. Manchmal wollte ich meine Freunde bitten, mir bestimmte Dinge zu erklären, aber wir durften nicht mit anderen Schülern reden, sonst wurden wir vor allen anderen angeschrien oder sogar zum Ethik-Offizier geschickt.
Die Schule ging von Viertel vor zwei bis sechs Uhr, mit einer Viertelstunde Pause dazwischen. Dann durften wir essen, entweder etwas, das wir in der Kantine kauften, oder eine Orange oder einen Apfel, die wir so bekamen. Außerdem durften wir auf dem Spielplatz spielen, den wir selbst gebaut hatten. Nach der Pause gab es erst einen Appell, bevor wir wieder mit dem Lernen anfingen. An manchen Tagen hatten wir fünfundvierzig Minuten Sport, was wahrscheinlich noch der freieste Unterricht war. Einmal die Woche kam ein Fitnesstrainer zur Ranch und unterzog uns einem Fitness-Test. Da wir von den Decks alle in guter körperlicher Verfassung waren, kamen wir ohne Probleme durch. Wenn der Fitness-Trainer nicht da war, taten wir, was uns gerade so einfiel. Einige spielten Fußball oder Volleyball, aber es gab keine festgelegten Mannschaften und keinen Trainer, und normalerweise spielten die sechzehnjährigen Jungen. Da konnte ein kleines Mädchen kaum mitmachen, ohne niedergetrampelt zu werden, was ich aus eigener Erfahrung wusste. Daher gab ich es, wie viele in meinem Alter, einfach auf und ging in einen Raum, wo wir uns an Gymnastik oder Aerobic versuchten.
Abendessen und Aufräumen fanden zwischen sechs und Viertel vor sieben statt, danach folgte unsere scientologische Ausbildung. Unsere normalen Schulfächer waren als Ergänzung zu unseren scientologischen Studien gedacht. Die Abendsitzungen aber waren für die echten Einführungskurse in Scientology bestimmt. Natürlich waren wir zu diesem Zeitpunkt oft schon müde. Schließlich hatten wir bereits einen Zwölf-Stunden-Tag hinter uns.
Wie bei unseren Schulkursen saßen beim scientologischen Unterricht etwa vierzig Personen in einem Raum. Da die Schüler auf verschiedenen Level waren, arbeiteten manche an Drillübungen, während andere sich Aufnahmen von LRH s Vorträgen anhörten, Tonmodelle herstellten oder LRH s Bücher und Grundsatzschreiben lasen. Wir arbeiteten allein und zeigten mit Hilfe eines Prüfbogens, wie weit wir waren.
Wir lernten viele verschiedene Aspekte von Scientology kennen, von der Beziehung zwischen Thetan, Verstand und Körper bis zur Bedeutung der Klärung missverstandener Wörter. Wir bekamen auch den sogenannten Children’s Communications Course , eine Adaption des Kommunikationskurses für Erwachsene, in dem man lernte, Audits zu geben. Allerdings war in der Adaption viel verloren gegangen. Die Kommunikationskurse enthielten verschiedene Trainingsroutinen oder
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