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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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keinem von ihnen sprechen.
    Zwar schienen unsere Aufpasser nichts dabei zu finden, dass Kinder solche Arbeiten verrichten mussten, wohl aber Fachkräfte von außerhalb, mit denen wir manchmal in Kontakt kamen. Normalerweise wurden sie für anspruchsvollere Arbeiten auf der Ranch angeheuert, wie zum Beispiel das Anlegen einer Asphaltstraße. Das kam zwar nicht oft vor, aber wenn, dann hegte ich immer die leise Hoffnung, sie würden sich dafür einsetzen, dass unsere Arbeitsschichten um Stunden oder gar Tage verringert wurden. Meistens versuchten unsere Supervisoren, uns von diesen Wogs fernzuhalten, doch einmal beschwerten sich tatsächlich ein paar Bauarbeiter, als sie sahen, dass zwei Kinder eine Bahnschwelle schleppten, weil sie meinten, sie wären zu klein dafür. Sie wussten nicht, dass Bahnschwellen auf dem gesamten Besitz als Wegbegrenzung oder Pflanzgefäße eingesetzt und immer von jeweils zwei Kindern getragen wurden. Nach der Beschwerde durften wir nicht mehr in der Nähe von Außenstehenden arbeiten.
    Natürlich fiel uns die Arbeit immer leichter, je älter und stärker wir wurden. Manche Kinder wie mein Bruder schienen keinerlei Probleme bei den Decks zu haben. Normalerweise zog Justin mich auf oder nannte mich Schlappschwanz, wenn ich über Müdigkeit klagte oder ging, anstatt zu rennen. Der Unterschied bestand eben darin, dass ich ein siebenjähriges Mädchen war und er ein fünfzehnjähriger Junge.
    Ich hasste die Arbeit. Ständig hatte ich Muskelkater, meine Hände waren extrem aufgeschürft, und normalerweise war mir entweder zu heiß oder eiskalt, da wir bei jeder Temperatur draußen arbeiteten. Oft mussten wir im Winter noch mit Shorts arbeiten, weil es einfach kein Geld für neue Uniformen gab und wir als Kinder schnell wuchsen. Es galt die Regel, dass man während der Decks immer rennen musste, und wenn ich beim Gehen erwischt wurde, hieß es: »Los, Jenna, renn!«, oder »An die Arbeit, Jenna!« Das hörte ich von Erwachsenen und Kindern gleichermaßen. Wenn wir widersprachen, uns langsam bewegten oder die Arbeit verweigerten, was fast nie vorkam, hieß es, wir sollten mit dem Theater aufhören, und wir bekamen einen Eintrag.
    Die Arbeit selbst schien niemals enden zu wollen. Sobald wir ein Projekt beendet hatten, wartete am nächsten Tag schon ein neues auf uns. Es war, als müssten wir jeden Tag einen Felsbrocken den Hügel hinaufrollen und wüssten nur zu gut, dass am nächsten Tag ein neuer Brocken auf uns wartete. Wir verwandelten die Ranch in einen wunderschönen Ort, aber für wen eigentlich? Ich jedenfalls hatte kein Auge mehr für die Schönheit und sehnte mich zurück nach den Tagen, als die Ranch noch heruntergekommen war und ich die Zeit dort genießen konnte.
    Bis heute weiß ich nicht, ob es bei diesen Projekten darum ging, uns als kostenlose Arbeitskräfte einzusetzen, uns vor Ärger zu schützen oder uns zu besseren Scientologen zu machen. Höchstwahrscheinlich war es eine Mischung aus allem. Am Ende waren wir jedenfalls eine Gruppe Kinder, die täglich Stunden damit verbrachte, viel zu anstrengende körperliche Arbeit zu leisten.
    Wir bekamen Schwielen und Blasen. Wir hatten Schnitte und Blutergüsse. Unsere Hände wurden gefühllos, wenn wir sie auf der Suche nach Steinen in das eiskalte Wasser des Bachs tauchten. Wenn wir Sträucher aus der verdorrten Erde zogen, brannten unsere Hände wegen der Reibung und der Nesseln. Unsere Arbeitsbedingungen wären schon für einen erwachsenen Mann hart gewesen, doch jede Klage, jeder Widerspruch, jede Form von Hinterfragung zog sofort disziplinarische Maßnahmen nach sich.
    Ganz gleich, wie verhärtet die Erwachsenen waren, die all das von uns verlangten, es war vor allem ihr Glaube an Scientology, der sie so handeln ließ. In den Augen von Scientologen waren wir keine Kinder, sondern Thetanen, genau wie Erwachsene, und damit in der Lage, die gleiche Verantwortung wie sie zu übernehmen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass unsere Körper jünger waren. Nicht wir waren jünger, nur unsere Körper. Also war die Tatsache, dass wir noch Kinder waren, irrelevant. Ich wusste, das war das Prinzip, also meinte ich, irgendwas stimmte nicht mit mir, wenn ich das Gefühl hatte, die Arbeit wäre zu schwer oder zu viel. Ich zog den falschen Schluss, dass ich mich einfach nur abhärten müsste.
    Meine Unsicherheit wurde durch die Erwachsenen und die anderen Kinder um mich herum nur größer, weil ich ständig als Schlappschwanz bezeichnet

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