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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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auch am Tisch saß. »Oh, entschuldige, Jenny«, sagte er und wandte sich mit breitem Grinsen an mich. Er nannte mich nicht Jenna, sondern Jenny, das wirkte vertrauter, mein Bruder nannte mich auch so. »Ich hätte nicht dieses Wort verwenden dürfen«, entschuldigte er sich. »Schulde ich dir einen Vierteldollar fürs Fluchen?«, fragte er. Aber ich winkte ab. Auf der Ranch fluchten wir oft. Genau wie die meisten Sea Org-Mitglieder. Aber mir gab dieser Begriff zu denken.
    »Was ist besoffen?«, fragte ich, und alle lachten, außer Tante Shelly, die mich beiseitenahm und mir erklärte, dass Alkohol schlecht sei und einen betrunken machen könne.
    Am Tag nach der Bier-und-Käse-Party hatte die Crew der Int Base frei. Fast alle nutzten den Tag, um mit ihren Familien ins Big Bear-Skigebiet zu fahren, das etwa anderthalb Stunden von der Base entfernt lag. Die meisten fuhren mit Mietbussen, aber wir konnten mit dem Wagen meines Vaters fahren. Nicht viele Crew-Mitglieder hatten einen eigenen Wagen, aber mein Vater besaß einen BMW und Onkel Dave einen Mazda RX 7. Ich hatte keine Ahnung, warum alle das so toll fanden. Mein Dad vergötterte seinen roten BMW dermaßen, dass ich manchmal dachte, er würde ihn mehr lieben als mich. Als ich ihn einmal danach fragte, wirkte er ziemlich gekränkt und versicherte mir, dass das nicht der Fall sei.
    Im Skigebiet hatte unsere Familie oft ein viel schöneres Quartier als der Rest der Crew. Einmal, als ich neun war, hatten wir in Arrowhead ein riesiges Haus mit unzähligen Zimmern, einem ausgebauten Dachboden und einem Whirlpool. Die Kinder durften auf dem Dachboden schlafen. Viele meiner Verwandten väterlicherseits waren auch da: Onkel Dave und Tante Shelly, Grandpa Ron und seine Frau Becky, meine Eltern und ein Mann namens Onkel Bill. Er war zwar nicht mein richtiger Onkel, aber er und mein Dad waren seit meiner frühesten Kindheit Freunde, daher nannte ich ihn Onkel Bill. Das Haus gehörte einem Scientologen namens Paul Haggis, der in Hollywood als Drehbuchautor und Regisseur arbeitete. Onkel Bill war mit ihm befreundet, daher durften wir alle in dem Haus wohnen.
    Weihnachten war alles völlig anders als sonst in der Church. Wir saßen gemeinsam am Feuer, um unsere Geschenke auszupacken. Von Mom und Dad bekam ich Pantoffeln, einen Schlafanzug und ein Album. Meine Großmutter aus New Hampshire schickte mir einen Webrahmen für Perlenbänder. Das war toll, weil ich auf der Ranch außer den Stofftieren auf meinem Bett eigentlich nichts zum Spielen hatte. Onkel Dave und Tante Shelly schenkten mir ein Porzellankästchen, blau mit weißer Porzellanschleife. Ich wusste zwar nicht, wozu es diente, aber es war sehr schön.
    Am Ende des zweiten Tages kehrten wir in die Base zurück, weil es dort ein riesiges Weihnachtsbankett mit anschließender Show gab. Wir sangen Weihnachtslieder, spielten etwas vor oder präsentierten andere Showeinlagen, die wir wochenlang auf der Ranch einstudiert hatten. Obwohl alle älteren Kinder so taten, als wäre das unglaublich peinlich, liebte ich es, auf der Bühne zu stehen. Für mich wurde Weihnachten dadurch nur noch toller. Nach der Show gab es eine Tanzparty für die Crew. Manchmal saßen Tante Shelly und Onkel Dave dabei und beobachteten die Leute.
    Tante Shelly unterhielt sich häufig mit mir. Mal pries sie mir die Vorzüge von Karottensaft an, mal erzählte sie mir, es gebe nichts Schlimmeres als Popcorn und Erdnüsse. Sie fragte mich nach der Schule und erklärte, ich müsse missverstandene Wörter klären, weil ich dann meine Kurse schneller absolvieren könnte. Sie interessierte sich mehr als alle anderen für meine Fortschritte in der Schule.
    Manchmal gingen wir während der Weihnachtsparty auch in Onkel Daves Billardzimmer, wo ein Pooltisch stand und es alle möglichen Spiele gab. Es gab auch eine Ledercouch, Polstersessel und ein Telefon, mit dem ich immer spielen wollte, weil es aussah wie eine Stockente. Normalerweise warteten an der Bar dieses Raums immer viele Stewards, die die Führungskräfte bedienten. Die Führungskräfte redeten die ganze Zeit, aber worüber, wusste ich nicht. Ich war nur froh, mit meinen Eltern und den anderen zusammen zu sein.
    Auf der Int Base waren alle sehr freundlich zu mir. Wenn ich durch den Tanzsaal schlenderte, hielten mich ständig Bekannte auf, um mich zu begrüßen und zu umarmen. Wohin ich auch blickte, sah ich nur freundliche, aufgeschlossene Menschen – ganz anders als auf der Ranch. Ich konnte es kaum

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