Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Pistols. LRH hatte einmal sogar ausdrücklich gesagt, dass diese Band einen schlechten Einfluss auf Kinder hätte.
Ich war auch mit Eva und Caitlin, zwei Schwestern, befreundet. Eva schminkte sich gerne und war ein richtiges Mädchen, genau wie ich übrigens, obwohl ich mir alle Mühe gab, als Wildfang zu gelten, weil das zu der Zeit cool war. Ich ging während der Mahlzeiten oder der Toilettenpausen in der Decks-Zeit gerne mit Eva in ihr Zimmer und sah mir die tollen Sachen in ihrer untersten Schublade an. Eva, Caitlin und Naomi wirkten auf mich menschlicher und weniger roboterhaft als die anderen Kinder der Ranch. Deshalb fühlte ich mich zu ihnen wohl am meisten hingezogen.
Da unsere Uniformen jeden Abend gewaschen wurden, durften wir für uns für den scientologischen Unterricht normal anziehen. Caitlin, Eva und ich tauschten gerne Klamotten. Wir mochten auch die gleiche Musik und schenkten uns zu Weihnachten etwas.
Wenn ich mit Caitlin und Eva zusammen war, konnte ich kaum noch ignorieren, dass wir wie alle anderen um uns herum älter wurden. Obwohl es von den Erwachsenen auf der Ranch gar nicht gern gesehen wurde, sprachen alle Mädchen plötzlich über Jungs und Flirten. Das war zwar noch ziemlich harmlos, aber kurz darauf sah ich, welche Konsequenzen sich daraus ergeben konnten.
Nicht lange nach meiner Rückkehr fing ich mit dem Life Orientation Course – kurz LOC – an, der sich direkt an den Key to Life-Kurs anschloss. Dieses Mal sollte Justin mein Zwilling sein. Weil die Supervisoren auf der Ranch für diesen Kurs nicht qualifiziert genug waren, mussten wir abends zur Int Base, statt auf der Ranch unseren scientologischen Studien nachzugehen.
Im LOC lernten wir etwas über die zwölf Ethik-Zustände des Menschen und die Schritte, die man unternehmen musste, um seinen Zustand zu verbessern. Außerdem erfuhr man noch mehr über die anderen Bereiche scientologischer Ethik. Es war ziemlich frustrierend, Justin als Zwilling zu haben. Wir lagen acht Jahre auseinander und hatten große Reibungsverluste. Wie im Key to Life mussten wir Texte laut vorlesen, ohne zu stocken oder uns zu versprechen. Wenn ich einen Fehler machte, musste ich innehalten und das Wort nachschlagen, das ich scheinbar nicht verstanden hatte. Justin stoppte mich schon beim kleinsten Versprecher, was natürlich seine Aufgabe war, aber ich leugnete meine Fehler. Er hatte kein Erbarmen und wurde noch ärgerlicher, weil ich ihn anlog. Ehrlich gesagt, begriff ich eigentlich kaum, um was es in dem verflixten Buch ging, aber das konnte ich ihm gegenüber nicht zugeben. Also hoben wir ständig die Hand, damit unser Supervisor als Schlichter eingriff. Mein reizbarer und herrschsüchtiger Bruder machte sich ständig über mich lustig, und dann brach ich in Tränen aus.
Schließlich teilte Justin dem Lehrkörper auf der Ranch mit, dass ich überfordert sei und den LOC nicht absolvieren könne. Außerdem erklärte er, ich hätte nichts aus dem Key to Life-Kurs in Erinnerung behalten. Er fing an, mir vor Mr. Parker und Mr. Bell stichprobenartig Fragen zu stellen, zum Beispiel: »Was ist der Konjunktiv?« Und dann zeigte sich, dass Justin Recht hatte. Sooft ich die Antworten in den letzten drei Monaten auch wiederholt hatte, sie waren bei mir nicht hängen geblieben.
Wenn man bei Scientology etwas vergisst, wird das so angesehen, als ob man es nicht verstanden hätte. Es gilt als Symptom für ein missverstandenes Wort. Durch meine Vergesslichkeit gab ich im Grunde zu, dass ich über Wörter hinweggegangen war, die ich nicht verstanden hatte. Das wurde gleichzeitig auch als gefälschte Beglaubigung eines Kurses angesehen, und das wiederum war ein Vergehen. Daher wurde ich in den niedrigen Ethik-Zustand ›Zweifel‹ zurückgestuft und musste mehrere Wochen Wiedergutmachung leisten, um wieder in die Gruppe aufgenommen zu werden.
Außerdem musste ich den größten Teil des Key to Life-Kurses wiederholen. Dazu fuhr ich morgens zur Int Base, um mit einer Frau, die mir als Zwilling zugewiesen war, zu arbeiten. Ich fuhr mit dem Essenslieferanten hin, und wieder zurück, wenn das Mittagessen gebracht wurde. Glücklicherweise war der Key to Life-Kurs beim zweiten Mal nicht mehr so schwer.
Da ich wegen des Kurses die Decks verpasste, musste ich sie nachmittags nachholen. Aber das war nicht so schlimm, weil ich mit Teddy, einem Freund meines Bruders, zusammen arbeitete. Er gehörte mittlerweile zum Personal der Ranch und wurde Mr. Blackman genannt. Unsere
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