Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
wusste, dass alle Kontakte zwischen Mädchen und Jungen von nun an höchst misstrauisch beobachtet wurden, hätte ich weiterhin Zeit mit Corwin verbracht, wenn er nicht gleichzeitig mit meiner alten Freundin und Fluchtgefährtin Rebecca geflirtet hätte. Er kam sogar zu mir und fragte mich, warum ich ihn ignorierte. Ich war ziemlich gemein und teilte ihm nur mit, dass ich nicht mehr mit ihm flirten würde. Ich sah, dass er ein bisschen verletzt war, aber das war ich auch.
Eva und Teddy bekamen großen Ärger, durften aber auf der Ranch bleiben und wurden nicht zur Rehabilitation Project Force , kurz RPF , geschickt, was eigentlich die Standardstrafe für einen solchen Verstoß war. Diese Strafabteilung war für alle gedacht, die großen Mist gebaut hatten. Sie durften dort nur Schwarz tragen und niemals gehen, nur rennen, bei den Decks und bei allem anderen. Sie durften nur sprechen, wenn sie von Crew-Mitgliedern angesprochen wurden, und bekamen nur den halben Lohn und höchstens fünfzehn Minuten Pause für die Mahlzeiten. Wenn sie widersprachen oder nicht gehorchten, mussten sie Runden rennen. Ihre Tage teilten sich in schwere körperliche Arbeiten und Auditing-Sitzungen auf, wo sie alle ihre bösen Absichten offenlegen und mit Hilfe scientologischer Techniken loswerden mussten. Für ein Mitglied der Sea Org gab es nichts Schlimmeres als die RPF . Als ich auf der Ranch ankam, war das RPF -Programm noch dort untergebracht gewesen.
Teddy wurde stattdessen geächtet. Vom coolsten Jungen der Ranch wurde er herabgestuft zum Paria , mit dem niemand sprach.
»Früher fand ich ihn so cool«, sagte einmal eine Freundin zu mir, »aber jetzt finde ich, er ist ein Loser.«
Sie war nicht die Einzige, die so dachte. Er war in der Achtung der meisten auf die unterste Stufe gesunken. Später erfuhr ich von Teddys Mutter, dass er nach dem Out 2D mit Eva doch zur RPF verdonnert worden war, dass mein Onkel Dave es aber rückgängig gemacht hatte. Den Grund dafür fand ich nicht heraus, aber ich nahm an, es lag daran, dass Teddy jung und offiziell noch Kadett war, also kein vollwertiges Sea Org-Mitglied.
Ich persönlich konnte Teddy gegenüber nicht solche Verachtung entgegenbringen wie die anderen. Vor allem tat er mir leid. Ich sah in ihm niemanden, der der Gruppe geschadet oder sich gegen Scientology aufgelehnt hatte, sondern nur den Freund meines Bruders, der immer nett zu mir gewesen war.
Zu seiner Rehabilitierung gehörte, dass er LRH s Grundsatzschreiben über Ethik las, die wir in demselben Gebäude wie die Vitamine aufbewahrten. Er rechnete bestimmt damit, dass ich ihn wie alle anderen schnitt, aber wenn niemand hinsah, versuchte ich zumindest, ihn zu grüßen. Wenn ich ihn bei der Arbeit für meinen Posten sah, fragte ich ihn, wie es ihm ging. Teddy war dankbar für jede Freundlichkeit, und ein paarmal sah ich ihn sogar in Tränen ausbrechen.
Eva schien es nicht so viel auszumachen wie Teddy. Ich redete immer noch heimlich mit ihr, obwohl ich Ärger bekam, wenn ich dabei erwischt wurde. Einmal wurde ich gewarnt, wenn ich weiterhin mit ihr sprechen würde, würde ich dieselbe Strafe wie sie bekommen. Aber das hielt mich nicht davon ab, schließlich war sie meine Freundin.
Inzwischen wurde ich wegen einer Beziehung in die Mangel genommen, die Justin mit Tiffany hatte, einem Mädchen von der Ranch. Ich wusste nur, dass Tiffany mir einmal gestanden hatte, sie sei unsterblich in ihn verliebt, doch das hatte ich niemandem erzählt. Während der Befragungen sagte ich dummerweise »Ich werde nichts über meinen Bruder preisgeben!«, was die Sache natürlich noch verdächtiger machte. Ich dachte, mein Bruder wäre mir dankbar, stattdessen wurde er wütend und schimpfte, ich sei ein Idiot.
Schließlich beruhigte sich die Lage, und die Leiterin von Inspections and Reports fuhr zurück zur Int Base, aber ihre Arbeit auf der Ranch hatte eindeutig Wirkung gezeigt. Nachdem jemand erwischt und bestraft worden war, achteten wir nicht nur noch mehr darauf, mit wem wir gesehen wurden, sondern auch, wem wir trauen konnten.
Allerdings hatte der Vorfall mit Eva und Teddy in vielerlei Hinsicht den gegenteiligen Effekt bei mir. Vor dem Besuch der Inspekteurin hatte ich mich manchmal gefragt, was ich wohl tun würde, wenn ein Freund etwas verbrochen hätte und dafür Ärger mit der Gruppe bekäme. Jetzt hatte ich zum ersten Mal die Antwort darauf, und ich war überrascht, wie spontan und natürlich meine Reaktion gewesen war. Ganz gleich,
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