Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Filme standen oft Menschen aus den verschiedensten Ländern, die erzählten, was Scientology bei ihnen bewirkt hatte. Es gab Kranke, die vom Krebs geheilt worden waren oder nach einer Lähmung wieder laufen konnten, und Tausende von Meilen entfernt hörte das ganze Publikum gebannt zu. Danach sprangen alle auf und klatschten und jubelten, und ich ließ mich von ihrer Begeisterung anstecken. Zwar verstand ich nicht jedes Wort, was die Menschen im Film über ihre Erfahrungen erzählten, trotzdem spürte ich unleugbar die Wirkung des Ganzen. Ich bekam Gänsehaut und spitzte die Ohren, um in die Jubelgesänge auf LRH einstimmen zu können. Hier zeigte sich die Gemeinde in ihrer besten, die Kraft von Scientology in ihrer schönsten Form.
Bei diesen Events zeigte Onkel Dave oder eine andere Führungskraft auf Diagrammen, wie die Leistungskurven aller internationalen Statistiken von Scientology anstiegen, und zwar mehr als je zuvor. Bei diesen Statistiken wurden Bereiche gezeigt wie »erfolgreiche Auditing-Sitzungen« oder »Anzahl der verkauften Bücher«. Onkel Dave oder einer seiner Mitarbeiter hielt immer eine motivierende Rede darüber, dass Scientology auf die Politik vieler Länder Einfluss nahm und manche Regierungen das sogar begrüßten.
Als Diane und ich unseren Abschluss im Key to Life-Kurs machten, war für mich auch der Zeitpunkt gekommen, meinen Gewinn mit dem Kurs zu teilen. Ich war ohnehin still und unsicher, und der Umstand, dass mein Gewinn kaum der Rede wert war, machte mir nicht gerade Mut. Als Diane ihre Gewinne präsentierte, sprach sie lange und unterhaltsam. Ich hingegen fühlte mich wie das Kaninchen vor der Schlange. Ich hatte ein tieferes Verständnis der kurzen, allgemein gebräuchlichen Wörter und konnte besser verstehen, was man mir sagte oder was ich las. »Ich hatte Spaß«, murmelte ich, so verlegen, dass ich schließlich aus dem Raum rannte, was alles nur noch peinlicher machte. Am darauffolgenden Freitagabend brachte ich es einfach nicht über mich, bei der Abschlussfeier auf die Bühne zu gehen und mein Zertifikat in Empfang zu nehmen, was sonst jeder tat.
Unglücklicherweise bedeutete der Abschluss meines Kurses auch das Ende meines Aufenthalts in Clearwater. Meine neuen Freunde, die aus den verschiedensten Ländern kamen, luden mich ein, sie zu besuchen. Das waren faszinierende Aussichten. Ich wusste, dass solche Besuche eines Tages durchaus im Bereich meiner Möglichkeiten liegen würden, da meine Mom bei ihren verschiedenen Projekten auch die ganze Welt bereist hatte. Ich würde meine Freunde vermissen. Sogar mit Diane hatte ich mich angefreundet, obwohl sie insgeheim für mich immer eine Konkurrentin blieb.
Mehr als je zuvor glaubte ich aufrichtig an die Macht der Church. Nach all den Monaten, in denen ich von so vielen Gewinnen gehört und das Leben in der Sea Org, wenn auch nur als Gast, miterlebt hatte, war ich so überzeugt wie nie zuvor. Zum ersten Mal dachte ich nicht mehr an frustrierende Statistiken, Ethik-Akten oder zermürbende Decks-Arbeiten. Jetzt dachte ich daran, was ich alles erreichen konnte, wenn Scientology mir dabei half. Ich hatte immer daran geglaubt, aber nie begriffen, welche Macht oder welchen Platz Scientology in meinem Leben haben konnte. Plötzlich meinte ich, meine Bestimmung zu sehen, den Dienst, den ich der Sea Org in Zukunft leisten konnte. Der Grund für meine Hingabe lag hier direkt vor mir. Wenn ich jeden Freitag in der Menge stand, musste ich einfach glauben, dass ich Teil von etwas ganz Besonderem war. Teil von etwas, das die gesamte Menschheit verändern würde.
KAPITEL 11
Zurück zur Arbeit
Nach meinem Abschluss blieb ich noch ein paar Wochen in Clearwater und flog dann mit meiner Mutter nach Kalifornien zurück. Sie hatte auf der Int zu tun, und ich ging zurück zur Ranch. Da ich Monate weg gewesen war, fühlte es sich sehr seltsam an, wieder dort zu sein. Am schwersten war es, nach meiner Freiheit auf der Flag zur alltäglichen Plackerei mit den Decks und allem anderen zurückzukehren. Aber wegen meiner Erinnerungen blies ich nicht Trübsal, sondern richtete alle meine Hoffnungen auf die Zukunft.
Natürlich sorgten auch meine Freunde auf der Ranch dafür, dass meine Stimmung nicht sank. Wenn ich mit ihnen zusammen war, dachte ich nur selten an meine Familie. Naomi, eine meiner besten Freundinnen, war ziemlich rebellisch. Sie hörte im Radio immer Punk-Musik, obwohl die Church viele Punkbands für zu anzüglich hielt, vor allem die Sex
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