Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
hatte jedes Auditing-Level seine eigenen Endphenomena oder Fähigkeiten, die man vor der nächsten Stufe gewinnen sollte. Aber ich hatte nach Wochen noch keine Endphenomena und wurde es langsam ziemlich leid. Ich träumte sogar davon, woran es liegen könnte, und versuchte, die Antwort als Gewinn aufzuschreiben, aber all meine Einschätzungen erwiesen sich als falsch.
Schließlich wurde mir gesagt, ich wäre vielleicht schon darüber hinausgegangen . Ich wusste nicht, was das bedeuten oder wie das passiert sein sollte, und meine Verwirrung wuchs, als man mir versicherte, es sei tatsächlich so: Ich sei darüber hinausgegangen, und der Fehler liege bei der Supervision, weil die es nicht bemerkt habe. Mir war nicht klar, wie oder wann meine Endphenomena eingetreten waren, aber ich durfte mit dem Clay Table-Auditing aufhören.
Auch wenn ich nicht wusste, wie ich die Endphenomena erfahren hatte, ich wollte mich nicht dem darauf einsetzenden Schub in meiner Entwicklung entgegenstellen. Schließlich zielte ich auf all das Gute, was noch vor mir lag. Seit ich zur Flag gekommen war, hatte ich immer mehr Menschen getroffen, die weiter waren als ich, und einige von ihnen waren mir wirklich ein Vorbild geworden. Ich wollte, was sie hatten: mehr Wissen, mehr Annäherung zur totalen Freiheit. Und wenn die Verantwortlichen des Key to Life-Kurses sagten, ich hätte bereits meine Endphenomena erfahren, dann war das wohl so. Jetzt musste der Prozess nur noch beglaubigt werden, was hieß, dass ein Prüfer am E-Meter meine Darstellungen aus Ton absegnete. Gott sei Dank schlug meine Nadel regelmäßig aus, und das war es.
Danach wurde ich Auditor für ein anderes Mädchen am Clay Table. Sie war etwa vier Jahre älter als ich, arbeitete bei ihren Darstellungen aber so langsam, dass ich all meine Konzentration zusammen nehmen musste, um nicht einzuschlafen. Ich saß manchmal bis zu fünf Stunden mit ihr am Tisch und wartete darauf, dass sie endlich fertig wurde. Erst wenn der Prozess beglaubigt war, durfte ich zum nächsten Schritt übergehen.
Dieser bestand darin, unser Verständnis kurzer, allgemein gebräuchlicher Begriffe zu vertiefen. Dazu benutzten wir ein dickes, von LRH verfasstes Wörterbuch, in dem auch jedes denkbare kurze und allgemein gebräuchliche Wort wie ›es‹, ›das‹, ›ja‹, ›nein‹, ›auf‹, ›von‹, ›in‹ und ›aus‹ erfasst war. Ich musste mit dem ersten Wort beginnen, die erste Definition laut vorlesen und dann Diane mit meinen eigenen Worten erklären, was es bedeutete. Dazu musste ich das Wort in Sätzen gebrauchen, auf die sich die Definition bezog, bis ich es vollkommen verstanden hatte. Danach fuhr Diane mit den nächsten beiden Definitionen fort, bis wir zum Teil mehr als zwanzig Definitionen für jedes kurze, allgemein gebräuchliche Wort bearbeitet hatten. Danach ging es zur Klärung der Etymologie und der redensartlichen Bedeutungen. Diese Wörter hatten oft Dutzende von redensartlichen Bedeutungen, die genauso geklärt werden mussten wie die Definitionen. Es war zeitweise sehr ermüdend, und ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen, doch natürlich gab es auch hier E-Meter-Checks und Stichproben.
Wir machten nur langsam Fortschritte und kamen auch nicht immer gut miteinander aus. Diane war älter, klüger und schneller als ich. Ich langweilte mich rasch und musste wirklich kämpfen, um konzentriert zu bleiben. Wie viele Stunden konnte ich auf das Wort ›von‹ verwenden, ohne durchzudrehen? Wenn wir frustriert oder wütend waren, sollten wir einen Spaziergang machen, also waren wir eigentlich ständig unterwegs. Aber schließlich hatten wir alle Wörter durchgearbeitet.
Der nächste Schritt im Kurs bescherte uns ein zweites, ähnlich dickes Lehrbuch. Die Neue Grammatik war ein weiterer Albtraum. Da LRH überzeugt war, dass missverstandene Wörter die Ursache jeglicher Dummheit und Missetat waren, wollte er sichergehen, dass die Bedeutung selbst des kleinsten und alltäglichsten Worts geklärt war. Außerdem legte er Wert auf Grammatik, da die für ein tieferes Verständnis der englischen Sprache sorgte, jeden Tag gebraucht wurde und uns somit erst wahrhaft sprachkundig machte.
Der Stoff war sehr schwer zu verstehen, vor allem, wenn man versuchte, ihn fehlerfrei laut vorzulesen. Ältere Schüler kamen damit zurecht, aber für mich war es einfach zu komplex. Zudem war ich etwa fünf Jahre jünger als alle anderen im Kurs, was es noch schwieriger für mich machte.
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