Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Zeitalter der Technologie
Mit neuem Selbstvertrauen kehrte ich auf die Ranch zurück. Ich konnte kaum sagen, ob es daran lag, dass ich endlich den Key to Life- und den Life Orientation-Kurs erfolgreich abgeschlossen, dass ich auf der Flag das aufregende Leben innerhalb der Sea Org miterlebt hatte, oder daran, dass ich einfach älter wurde. Ich war so zuversichtlich wie noch nie zuvor.
Teilweise kam mein Enthusiasmus wohl auch daher, dass ich am Ende meines LOC s beauftragt worden war, mein Lebensziel zu finden oder, wie die Scientologen sagen, meinen Hat in Life – meinen Hut im Leben. Ich hatte mit Mom darüber gesprochen und ihr viele Fragen zu den unterschiedlichen Posten gestellt, die sie in der Sea Org bereits innegehabt hatte. Aufgrund dieser Gespräche hatte ich beschlossen, im Commodore’s Messenger Office, dem CMO , zu arbeiten. Nach dieser Entscheidung ging ich mit neuer Klarheit und Konzentration an alles andere. Obwohl ich noch meinen Abschluss auf der Ranch schaffen musste, bevor ich zum CMO konnte, wusste ich zum ersten Mal, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, jetzt musste ich nur noch das tun, was man von mir erwartete.
Tatsächlich fiel es mir mittlerweile leichter, die Regeln zu beachten – selbst die Decks waren nicht mehr so schwer für mich, obwohl ich auf der Flag viele Monate davon verschont geblieben war. Ich war jetzt etwa doppelt so alt wie bei meiner Ankunft auf der Ranch und damit der schweren Arbeit körperlich eher gewachsen. Mittlerweile wurde ich sogar als harter Arbeiter gelobt, was für mich etwas ganz Neues war. Während meiner Abwesenheit hatte ein anderer meinen Posten als Medical Liaison Officer übernommen, daher gab man mir einen neuen Posten, bei dem ich dafür sorgen musste, dass bestimmte Felder korrekt abgeerntet wurden. Doch schon bald bekam ich als Head der Division 2 eine Führungsposition und war für die Gruppe der Kinder verantwortlich.
Mittlerweile gab es die Gruppe der Precadets nicht mehr, sondern nur noch Kadetten und Kinder. Zu meinen Pflichten gehörte es, dafür zu sorgen, dass die Kinder in meiner Obhut es pünktlich zum Morgenappell schafften, sich um ihre Körperpflege kümmerten, sich ethisch verhielten und ihre Decks machten. Einige von ihnen benahmen sich gut, andere weniger. Aber ich wollte zu allen eine gute Beziehung aufbauen. Schließlich hatte ich nicht vergessen, wie sich das Leben auf der Ranch in ihrem Alter anfühlte. Ich kümmerte mich so gut wie möglich um sie. Wenn sie sich bei mir beklagten, dass sie den Posten, den man ihnen zugewiesen hatte, nicht mochten, versuchte ich, ihnen einen zu verschaffen, der besser zu ihnen passte. Ihre Posten waren ziemlich anspruchslos, zum Beispiel mussten sie die Schlafräume mit Toilettenpapier versorgen, Müll sammeln oder Gemüse holen, aber ich versuchte es so hinzubekommen, dass alle zufrieden waren. Ich nahm meinen Posten sehr ernst und wurde sogar einmal Kadett der Woche.
Aber mit meiner Schulbildung haperte es ziemlich. Ich lag fast zwei Jahre hinter meinen Altersgenossen zurück, da ich auf der Flag keinerlei Schulbildung bekommen hatte. Wegen meiner Erfahrungen auf der Flag wollte ich mich nur noch scientologischen Studien widmen, da ich wusste, dass nur die in der Sea Org wirklich von Bedeutung waren. Als ich mit meiner Kursleiterin darüber stritt, ob Schulbildung wichtig sei oder nicht, führte sie mich in ein kleines Zimmer, wo die Bücher aufbewahrt wurden. Sie war erst achtzehn oder neunzehn, aber wesentlich größer als ich. Ich wehrte mich und wollte hinaus, aber sie schlug mich ziemlich heftig ins Gesicht. Ich behielt davon nur einen kleinen blauen Fleck zurück und meldete es niemandem auf der Ranch. Doch als ich es meiner Mutter erzählte, fragte sie nur, womit ich das verdient hätte. Ich wusste nicht, ob sie es jemandem melden würde, traute mich aber nicht nachzufragen, weil sie wirklich davon auszugehen schien, dass ich selbst schuld war.
An den Abenden wurde ich einem Mädchen namens Trisha als Auditor am Clay Table zugewiesen. Wir fuhren beide gemeinsam mit dem Essenslieferanten zur Int Base, und nach dem Abendessen gab ich ihr ein Auditing. Es fiel mir nicht besonders schwer, weil sie meine Freundin und ziemlich unkompliziert war. Da ich abends meistens auf der Int war, lief ich auch öfter Onkel Dave über den Weg. Einmal holte er mich nach dem Kurs mit seinem Motorrad ab. Wir fuhren zu seinem Büro, wo ich mit Tante Shelly plauderte und mit seinen Hunden spielte.
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