Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
verwirrt: Was meinte er mit Standardprozedur? Doch noch bevor ich ihn fragen konnte, lieferte er mir schon die Antwort.
»Deine Mom hat einen Out 2D«, sagte er sachlich. Im Klartext hieß das, dass sie eine Affäre hatte. Obwohl mich das schockierte, erkannte ich im selben Moment, dass ich genau das die ganze Zeit geahnt hatte. Deshalb hatte ich befürchtet, sie müsste in die RPF , deshalb hatte es mich so aufgebracht, nicht mit ihr reden zu können. Deshalb hatte Mr. Townsend geprüft, ob ich Geheimnisse für mich behielt – um sicherzustellen, dass ich nichts von Moms Affäre gewusst hatte.
»Mit wem?«, fragte ich.
»Was glaubst du denn?«
»Wahrscheinlich mit Don.«
»Ganz genau«, sagte Dad. »Wusstest du davon?« Sein Tonfall legte nahe, dass er mir unterstellen wollte, ich hätte mich mit Mom verschworen. Ich dachte wieder an meine Sitzung mit Mr. Townsend und ihre intensive Suche nach irgendwelchen Geheimnissen. »Nein«, antwortete ich, »aber sie waren ziemlich gut befreundet, daher lag die Antwort nahe.«
Selbst für mich war offensichtlich gewesen, dass sie nicht nur freundschaftliche Gefühle füreinander hegten, aber ich hatte keine Ahnung gehabt, dass sie so weit gegangen waren.
Ich geriet in Panik, weil ich an die Folgen für Mom dachte. Jemand mit Out 2D wurde als das Allerletzte behandelt. Ich hatte immer zu meiner Mutter aufgeblickt. Trotz allem, was andere zweifellos jetzt von ihr hielten, wusste ich, dass sie viel Gutes für die Church bewirkt hatte und immer noch eine sehr fähige Mitarbeiterin war. Das würde ich nie vergessen. Aber das Wissen, dass sie etwas so strikt Verbotenes getan hatte wie ein Out 2D, erschwerte es mir sehr, rational zu bleiben.
Ich verdrängte meine Gefühle, so gut es ging. Ich versuchte, mich von meinen Emotionen abzuspalten, mich rein logisch zu verhalten, nicht nur zu reagieren, sondern das zu tun, was richtig und notwendig war. Das war genau die Situation, in der sich meine Trainingsroutine mit Provokationen als besonders nützlich erweisen konnte. Ich hatte es gelernt, meine Gefühle zu unterdrücken und nicht emotional, sondern rational zu reagieren. Ich musste meinen Verstand von meinen Gefühlen abtrennen. Selbst in ganz normalen Situationen, die wesentlich unwichtiger waren als die Eröffnung, dass die eigene Mutter eine Affäre hatte, bekam man den Rat, man solle seine TR s wiederholen, sobald man impulsiv oder aufgebracht war, um einen kühlen Kopf zu bewahren. Also nutzte ich nun meine TR s, um mich innerlich abzuspalten, die Technik war in diesem Augenblick sehr hilfreich.
Aber während ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen, verlor Dad die Kontrolle über seine und brach in Tränen aus. Er erzählte mir, er habe das Gefühl, die letzten beiden Jahre ihrer Ehe seien eine einzige Lüge gewesen. Onkel Dave sei so nett gewesen, ihn beiseitezunehmen und ihn persönlich von der Affäre seiner Frau in Kenntnis zu setzen. Ich umarmte ihn mitfühlend, weil mir das als das einzige Richtige erschien.
»Wo ist Mom?«, fragte ich dann, obwohl ich wusste, dass man laut der Regel mit Out 2D sofort ›von Bord‹ musste. Die Regel war noch auf der Apollo verfasst worden und hatte damals vorgesehen, dass der Missetäter am Strand ausgesetzt wurde. Jetzt kam er zur Strafe normalerweise in die RPF .
Dad bestätigte das. »Sie ist in der RPF , wo sie hingehört«, sagte er kalt.
»Geht es ihr denn gut?« Dad schien die Frage zu schockieren, so als wäre das unwichtig.
»Ich glaube schon, aber mich interessiert es momentan kaum, ob es ihr gut geht. Sie hat mich verraten«, erwiderte er. »Aber keine Angst. In der RPF bekommt jeder was zu essen und einen Platz zum Schlafen, also geht es ihr sicher gut.«
Ich hatte immer mit den anderen mitgefühlt und ein Herz für jeden, der in Schwierigkeiten geriet, auch wenn sie selbst verschuldet waren. Bei der Vorstellung, dass meine Mom, ganz gleich, wo sie jetzt war, sehr schlecht behandelt wurde und auf all ihre üblichen Privilegien verzichten musste, empfand ich nur noch mehr Mitgefühl. Aber Dad schien, vielleicht verständlicherweise, zu denken, dass sie bekam, was sie verdiente. Offenbar hatte er schon vergessen, dass sie beide selbst ein Out 2D begangen hatten, bevor sie verheiratet gewesen waren.
Dad sagte, er wäre gerade dabei, Moms Sachen durchzugehen und für die Einlagerung zusammenzupacken. Er fragte mich, ob ich ihm helfen wollte. Wenn jemand in die RPF kam, blieb er normalerweise
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