Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
jahrelang dort. Zwei Jahre wurden schon als kurz betrachtet. Als wir anfingen, ihre Garderobe durchzusehen, hielt er immer wieder ein Kleidungsstück in die Höhe und sagte: »Willst du das? Sie wird das nie wieder brauchen.« Ich wusste nicht, wie ich auf all das reagieren sollte. Wenn ich strikt den scientologischen Prinzipien gefolgt wäre, hätte ich sie auf der Stelle hassen müssen, und zwar nicht, weil sie unsere Familie gefährdet, sondern weil sie die Regeln gebrochen hatte. Aber zu meiner Beunruhigung stellte ich fest, dass ich sie nicht hasste. Natürlich war ich wütend auf sie, aber ich hasste sie nicht. Im Gegenteil, ich liebte sie immer noch. Ich wusste, es war nicht richtig, so zu empfinden, daher behielt ich es für mich.
Mein Schweigen hielt Dad nicht davon ab, mich zu fragen, wieso ich eigentlich nicht weinte. Er sagte, Onkel Dave hätte ihn gefragt, wie ich wohl auf die Nachricht reagieren würde, und er hätte ihm geantwortet, ich würde ausflippen. Es ärgerte mich, dass er meinte, mich gut genug zu kennen, um solche Aussagen zu machen. Außerdem war ich wütend, dass er mich Onkel Dave gegenüber so kindisch dargestellt hatte, wo ich doch jetzt ein vollwertiges Sea Org-Mitglied war, genau wie er.
Nachdem wir eine Stunde lang Moms persönliche Sachen zusammengepackt hatten, musste Dad zur Arbeit zurück. Mr. Headley kam, umarmte mich und erklärte, wie leid es ihr tue. Erst ihr Mitgefühl trieb mir die Tränen in die Augen, denn ich spürte, dass es aufrichtig war.
Ein paar Minuten später traf Tante Shelly ein.
»Hey, ich habe gehört, du hast es wie eine Erwachsene aufgenommen«, sagte sie. »Sehr schön!« Sie umarmte mich, dann machten wir einen kleinen Spaziergang, um uns zu unterhalten.
»Deiner Mom geht es jetzt gut, und es wird ihr auch weiterhin gut gehen«, erklärte Tante Shelly mir. »Sie hat immer behauptet, die stärkste Frau auf dem gesamten Stützpunkt zu sein, deshalb wird sie die MEST -Arbeit in der RPF schon nicht umbringen.«
Allerdings wurde sie wesentlich kühler, als ich ihr sagte, ich machte mir Sorgen um Mom und wolle nicht, dass sie traurig wäre.
»Wusstest du«, fragte sie daraufhin, »dass deine Mom dich nur für die Auditing-Kurse zur Flag zurückgeschickt hat, um einen Vorwand zu haben, mit Don in Kontakt zu bleiben?« Das tat weh. Ich wusste nicht, ob das die Wahrheit war oder ob Tante Shelly übertrieb. Während ich ihre Worte noch verdaute, versuchte Tante Shelly mir zu erklären, warum die RPF genau der richtige Ort für meine Mom war: Schließlich sei es nicht der erste Vorfall dieser Art, und ein solches Benehmen sei mehr als verwerflich.
Dann sprachen sie und ich über meine Zukunft. Sie sagte, sie habe sich sehr über meine Beförderung zum Messenger gefreut, weil sie wolle, dass ich meine Ausbildung absolvierte und dann zurück zur Int käme, um dort zu arbeiten. Dieser Zukunftsplan, den sie für mich entworfen hatte, gefiel mir sehr. Genau das war doch auch immer mein Traum gewesen. Wir unterhielten uns ein, zwei Stunden. Sie erzählte mir Geschichten aus ihrem Leben, von ihrer Arbeit für LRH , und wie viel es ihr bedeutet hatte, schon mit neun Jahren einer seiner Messenger gewesen zu sein. Am Ende des Gesprächs umarmten und verabschiedeten wir uns.
Die nächsten Tage verbrachte ich viel Zeit mit Mr. Headley. Sie führte mich auf der Int Base herum und zeigte mir alle Veränderungen, die sich seit meiner Abreise ergeben hatten. Der gesamte Stützpunkt erstreckte sich über fünfhundert Hektar. Bevor die Church den Besitz 1978 gekauft hatte, war er ein Resort gewesen und hatte jetzt immer noch einen riesigen künstlichen See, ein Schloss und ein Bewässerungssystem, mit dem trotz des kalifornischen Wüstenklimas alles üppig grün gehalten wurde. Das gesamte Grundstück war mit Stacheldraht und vielen Hundert, zum Teil versteckten, meist aber deutlich sichtbaren Überwachungskameras geschützt. Jetzt zeigte mir Mr. Headley ein neues Gebäude, ein Herrenhaus namens Bonne View . Es war bereits bezugsbereit und für den Tag gedacht, an dem LRH zurückkehren würde. »Kommt er in einem anderen Körper?«, fragte ich und überlegte, wie und wann er wohl zurückkehren würde.
»Wahrscheinlich«, antwortete Mr. Headley, die sich über die Einzelheiten ebenfalls nicht sicher zu sein schien.
Stacy Moxon, ein Mitglied des Hauspersonals von Bonne View, führte uns durch das Gebäude. Eine kleine Gruppe der CMO war eigens dafür abgestellt worden, sich
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