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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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Frage eindeutig wegen meines Nachnamens Miscavige gestellt hatte. Noch nie war ich von jemandem so etwas gefragt worden. Ich hätte ihm nicht antworten müssen, aber ich hatte Lust dazu.
    »Ich treffe sie immer, wenn sie nach Clearwater kommen«, erklärte ich offen und ehrlich. »Im letzten Jahr war mein Dad einmal hier, und da hab ich ihn ein paar Minuten gesehen.«
    Martinos Gesichtsausdruck wandelte sich von amüsiert zu fassungslos. »Sekunde, du siehst deine Eltern also höchstens einmal im Jahr?«
    »Mm-hm, genau«, sagte ich und hatte irgendwie das Gefühl, erklären zu müssen, warum das nicht so schlimm war, wie es klang.
    »Aber du bist doch noch ein Kind.«
    »Nein, ich bin ein Sea Org-Mitglied, und so ist es nun einmal.«
    »Du bist ein Sea Org-Mitglied«, sagte er höhnisch. »Was soll das schon heißen? Du bist ein Kind. Wie alt bist du?«
    Ich sagte ihm, dass ich fünfzehn sei, und er sprach weiter: »Ja, fünfzehn, genau wie ich. Bloß weil du in der Sea Org bist und so eine schicke CMO -Uniform trägst …« Er streckte seine Brust wichtigtuerisch heraus, um seine Bemerkung zu unterstreichen, und ich musste lachen. Unbeeindruckt fuhr er fort: »Im Ernst, ich würde sterben, wenn ich meine Mom nicht sehen dürfte«, sagte er leise und sah mich erwartungsvoll an.
    »Ich weiß nicht, ich finde nur … wir sind Thetane«, fügte ich zögernd hinzu, »… und Thetane können nicht wirklich die Eltern eines anderen Thetans sein. Daher ist Familie nichts wirklich Echtes oder nicht so ungeheuer wichtig.« Ich wiederholte, was Tante Shelly mir vor vielen Monaten in ihrem Büro erzählt hatte, als ich von einem Besuch bei meiner Mutter zurückgekommen war.
    »Ja, aber vermisst du deine Mutter denn überhaupt nicht?«
    Er klang aufrichtig besorgt, und das rührte mich fast zu Tränen. Noch am selben Tag hatte mich Mr. Anne Rathbun in ihr Büro gerufen und mir einen bereits geöffneten Brief meiner Mutter gezeigt. In dem Brief berichtete mir Mom, die noch immer im RPF steckte, wie erfolgreich sie ihr Programm bewältigte. Lang und breit erzählte sie von der Gartenarbeit, die ihr so viel Freude bereitete, und wie bestimmte Dinge sie an mich erinnerten. Sie hatte ein paar Fotos beigelegt und schrieb, dass sie mich liebe. In Gegenwart von Mr. Rathbun traute ich mich nicht, meine Gefühle zu zeigen. Ich wollte den Brief mit auf mein Zimmer nehmen, damit ich ihn unter mein Kopfkissen legen und immer wieder und wieder lesen konnte, aber Mr. Rathbun nahm ihn an sich, sobald ich aufgestanden war, um zu gehen. Auf meinen fragenden Blick hin erklärte sie mir, sie müsse ihn behalten, da er vertrauliche Fotos der Int enthielt. Natürlich hätte ich mir das denken können.
    Es war merkwürdig, dass Martino sich für meine Beziehung zu meiner Mom interessierte, aber diese Mischung aus Neugier und Aufrichtigkeit zog mich an. Er machte einen ungekünstelten Eindruck und bemühte sich erst gar nicht, ethischer als ich zu wirken. Von ihm ging eine Natürlichkeit aus, der ich so noch nie begegnet war. Ich kannte ihn zwar nicht, aber irgendwie schien er zu denken wie ich. Während alle anderen mir seit Jahren erzählten, dass es falsch sei, wie sehr ich meine Eltern vermisste, und dass ich an ihre Abwesenheit gewöhnt sein sollte, war er der Erste, dem aufzufallen schien, wie bizarr die Situation eigentlich war. Alle anderen sagten einfach, meine Art zu denken, sei der Fehler. Doch nun kam mir zum ersten Mal in den Sinn, dass womöglich sie diejenigen waren, die falschlagen, nicht ich.
    In den nächsten Wochen arbeiteten Martino und ich ständig zusammen, obwohl wir kaum wirklich studierten. Wir sprachen einfach über alles. Er erzählte mir von seiner frühen Kindheit in Italien, wie seine Eltern sich getrennt hatten und er mit seiner Mutter nach Florida gezogen war. Seiner Mom stand er extrem nahe, und ohne sie wäre er verloren gewesen. Er beschrieb, wie er in der Flag Cadet Org aufgewachsen war, und ich schilderte das Leben auf der Ranch. Hinsichtlich körperlicher Arbeit und Zwang unterschieden sich diese beiden Orte offenbar sehr. Die Flag Cadets waren nicht zur Arbeit verpflichtet, und viele weigerten sich schlichtweg, wenn sie dazu aufgefordert wurden. Stattdessen konnten sie sogar die Straße zu den Kinos hinunterlaufen, denn die Flag Cadet Org lag nicht so abgelegen wie die Ranch. Im Gegensatz zu uns zählten sie nicht zu den Sea Org-Mitgliedern, obwohl fast alle von ihnen letztlich in der Sea Org landeten.
    Neben den

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