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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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Tage gestrichen waren.
    Auf meine Libs -Tage hatte ich mich bis dahin immer besonders gefreut. Mir standen nur ein oder zwei im Monat zur Verfügung, und gewöhnlich verbrachte ich sie mit Grandma Loretta, der Mutter meines Vaters, oder mit Tante Denise, ihrer Schwester. Es waren die einzigen Verwandten von mir, die in Clearwater lebten. Sie nahmen mich zum Shoppen mit, kauften mir, was ich brauchte, und luden mich ins Restaurant ein. Manchmal gingen wir auch mit meinen Cousins Taylor und Whitney, die ich von ihren Kursbesuchen auf der Base her kannte, an den Strand. Da sie alle öffentliche Scientologen waren und keine Sea Org-Mitglieder, wirkte ihr Leben auf mich aufregend und lustig.
    Es war seltsam, dass ich ihnen nicht von Moms Überstellung ins RPF erzählen konnte. Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte es getan. Sie waren die einzige wirkliche Unterstützung, die ich hatte, und sie hätten mir den Beistand gegeben, den ich brauchte. Doch Mom war eine hochrangige Führungskraft in der Flag gewesen, und jede Mitteilung über sie wäre als Out- PR für die Flag, die Int und meinen Familiennamen gewertet worden, auch wenn sie alle ebenfalls Miscaviges waren. Ethik-Probleme von Sea Org-Mitgliedern gingen Leute in niedrigeren Orgs oder außerhalb der Sea Org überhaupt nichts an. Und Moms Fall war sogar noch vertraulicher, da es sich bei ihr um die Schwägerin von David Miscavige handelte.
    Die Gefahr, andere Leute und meine Familie in Verlegenheit zu bringen, war einfach zu groß, und ich fürchtete mich vor den Konsequenzen, dennoch hätte ich meiner Grandma vertrauen sollen. Sie war überaus gütig, wahrscheinlich einer der einfühlsamsten Menschen, die ich kannte. Ein paarmal hatte sie bei meinen Libs-Besuchen die Fassung verloren und mir erzählt, wie gerne sie meinen Dad häufiger sehen würde. Er war im Int und hatte nur wenig Freizeit. Außerdem beschwerte sie sich über Tante Shelly, die ihr vorgeworfen hatte, meinen Cousin Whitney nicht in der Sea Org untergebracht zu haben, und ihn mit diesem Kommentar zum Weinen gebracht hatte.
    Doch Grandma Loretta hatte nicht nur mit Tante Shelly ein Problem. Sie konnte einige der Regeln, die ihr eigener Sohn aufgestellt hatte, nicht nachvollziehen. Als ausgebildete Krankenschwester gefiel es ihr zum Beispiel nicht, dass eine der lokalen RTC -Abgeordneten ihr Fitnessprogramm überwachte, und sie konnte auch nicht verstehen, warum ihr nicht erlaubt wurde, in ihrem gelernten Beruf zu arbeiten. Sie erzählte mir, dass Onkel Dave es ihr verboten hatte, aber ich erfuhr nie, warum oder ob es überhaupt der Wahrheit entsprach. Vermutlich hatte Onkel Dave etwas dagegen, weil medizinische Berufe ein schlechtes Ansehen hatten, da dabei häufig Medikamente verschrieben wurden. Krankenpflege stand außerdem für ein Eingeständnis der Macht des Körpers. Wie auch immer, ich stellte jedenfalls keine Fragen, weil zu viel auf dem Spiel stand. Noch tiefer in Grandma Lorettas Meinungsverschiedenheiten mit meinem Onkel vorzudringen, hätte mich auf gefährliches Terrain bringen können. Womöglich wäre ich gefragt worden, warum ich denn den Führer von Scientology, der doch so hart arbeitete und so viel für uns tat, nicht verteidigt hätte. Nachempfinden konnte ich ihre Haltung allerdings nur zu gut, da auch ich wegen des Namens Miscavige auf so vieles verzichten musste.
    Statt als Krankenpflegerin arbeitete Grandma als Buchhalterin und Assistentin für die Fox-Fernsehmoderatorin Greta Van Susteren und deren Ehemann, den Rechtsanwalt John Coale, die beide Scientology angehörten. Mir war kein Fernsehen erlaubt, daher kannte ich die beiden nicht, aber an meinen freien Tagen war ich ein paarmal in ihrem Strandhaus gewesen. Es war wundervoll. Direkt am Meer, dreigeschossig, mit Aufzug. Sie besaßen auch eine Yacht, auf der ich einige Ausflüge machen durfte. Sie behandelten mich sehr freundlich. John war ähnlich sarkastisch und selbstironisch wie Grandma. Greta wirkte tougher und kompromissloser, ein wenig wie meine Tante Shelly.
    Die Streichung der Libs-Tage war hart, aber immerhin besuchte meine Großmutter denselben Kursraum wie ich, sodass ich sie treffen und mit ihr sprechen konnte. Meine Freunde lernten sie ebenfalls kennen, und wir alberten gemeinsam bis zum Beginn der Kurse herum. Ich konnte sehen, wie sehr Grandma es genoss. Sie war froh, dass ich Freunde gefunden hatte, da das mein Leben ein klein wenig normaler machte, und als öffentlicher Scientologe wusste sie

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