Mein Geheimnis bist du
Mareikes Büro zu.
Dass die Frau Zeit brauchte, sich zu ordnen, verstand Andrea gut. Sie selbst war aber auch froh über die Gelegenheit, sich von dem Schock erholen zu können. Einer ganzen Schockwelle. Mareike Holländer war . . . und ausgerechnet Renate war ihre Gelegenheitsgeliebte. Oder waren die beiden am Ende sogar ernsthaft miteinander liiert?
Wenigstens wusste Andrea jetzt, was sie in Mareikes Nähe so nervös gemacht hatte. Es war wohl so eine Art innerer Radar, der die versteckten Signale empfing. Die du unbedingt ignorieren musst.
Als Andrea eine halbe Stunde später in Mareikes Büro trat – diesmal wartete sie, bis sie nach ihrem Klopfen ein »Ja bitte« hörte –, war Mareike äußerlich wieder vollkommen hergestellt. Sie erhob sich aus ihrem Stuhl. Eine Verlegenheitsgeste. Aber auch ohne diese sah Andrea Mareike an, wie unbehaglich ihr zumute war.
Mareike räusperte sich. »Gibt es . . .« Ihre Stimme versagte. Erneut ein Räuspern. »Gibt es eine Möglichkeit, dass . . . das eben . . . unter uns bleibt?«
»Es gibt in dieser Filiale sicher einige Klatschmäuler. Ich rechne mich nicht dazu. Sie können ganz beruhigt sein.«
Mareike sah Andrea durchdringend an. »Wären Sie es an meiner Stelle?«
Andrea wusste genau, was in Mareike vorging. Die befürchtete natürlich, Andrea würde die Geschichte brühwarm an Brennicke weitergeben, um ihre Konkurrentin anzuschwärzen. Mit ihrem Wissen besaß Andrea das perfekte Instrument, Mareikes Ansehen zu untergraben.
»Nicht wirklich«, gab Andrea zu.
Mareike ließ sich in ihren Sessel fallen. »Das hätte nicht passieren dürfen«, murmelte sie vor sich hin. »Das hätte einfach nicht passieren dürfen.«
Andrea verstand diesen frommen Wunsch. Mareike sprach ihr damit praktisch aus der Seele. Die Sache war ihr mindestens genauso unangenehm.
Andrea setzte sich Mareike gegenüber. »Es gibt eine Lösung. Wir gehen zusammen in die nächste Kneipe, betrinken uns bis zum Koma und bekommen einen schönen Filmriss«, sagte sie lakonisch.
Mareike verzog keine Miene. Ihr war nicht zum Lachen.
»Wollen wir dann?«, fragte Andrea hilflos.
»Was?«
»Na, weitermachen. Mit Schössler.«
»Ja. . . . ja, natürlich.« Mareike nickte abwesend. »Werden Sie es Brennicke sagen?«, fragte sie, statt – wie Andrea gehofft hatte – zur Tagesordnung überzugehen.
»Ich werde es niemandem sagen! Wieso sollte ich?«
Mareike blickte Andrea vielsagend an.
»Keine Angst«, beruhigte Andrea sie. »Mit solchen Mitteln kämpfe ich nicht.«
Mareikes Blick ruhte auf Andrea. »Sie sind eine seltsame Frau. Gestern Abend haben Sie als Einzige nach Wellers Herzanfall nicht die Flucht ergriffen. Dabei hätte ich es von Ihnen am ehesten erwartet. Und nun sagen Sie mir, Sie wollen nicht die Gelegenheit nutzen, mir, Ihrer erklärten Rivalin, das Wasser abzugraben. Ist das irgendeine Taktik, die ich noch nicht kenne?«
Andrea zuckte ratlos mit den Schultern. Was sollte sie darauf erwidern? Gestern Abend hatte sie Mareike Gesellschaft geleistet, weil die ihr irgendwie hilflos vorgekommen war. Sie hatte sich einfach in ihre Lage versetzt und sich entschieden zu bleiben. Was die Szene von eben anging, so war es nicht Andreas Stil, mit Dreck zu schmeißen, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Mareike schüttelte jetzt den Kopf. »Ich werde aus Ihnen nicht schlau. Sind Sie eine Heilige?«
»Ganz sicher nicht«, wehrte Andrea ab. »Nehmen Sie es doch einfach, wie es ist.«
»Tja. Was bleibt mir anderes.« Mareike sah nicht besonders glücklich dabei aus. »Also gut.« Sie räusperte sich. »Dann . . . machen wir jetzt mal mit Schössler weiter.«
Das war Andrea sehr recht.
»Wir sollten uns Schösslers Bilanz vom Vorjahr besorgen. Es macht sonst keinen Sinn«, sagte Mareike. Ihre Stirn lag in Falten. Ein Zeichen, dass sie gedanklich immer noch bei der Sache war. »Wir müssen wissen, worüber wir eigentlich reden, um das Risiko einschätzen und dieses Lockangebot entsprechend gewichten zu können. Ich werde noch mal mit Brennicke darüber reden.«
»Ich sehe mir unterdessen Schösslers Kalkulationsunterlagen für das Kreuzfahrtschiff genau an. Ich würde gern einen Schiffsbauer als Gutachter für die technische Plausibilität hinzuziehen.«
Mareike nickte anerkennend. »Das ist eine gute Idee. Tun Sie das.« Sie drehte sich in ihrem Stuhl etwas zur Seite, zu ihrem PC-Schirm, tippte etwas auf der Tastatur, wartete, drehte sich dann zurück zu Andrea, blickte
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