Mein Geheimnis bist du
musste der Gedanke, Andrea würde mit dem, was sie gesehen hatte, zu Brennicke gehen und ihm davon erzählen, Mareike beunruhigen. Denn das gäbe Brennicke eine Trumpfkarte in die Hand. Mareike musste sich wirklich unwohl in ihrer Haut fühlen. Ausgerechnet ihrer Rivalin oblag es, diese Trumpfkarte zu behalten oder abzugeben.
5.
» E in Vergleich von Hamburg Invest mit unserem Institut allein spricht doch schon Bände.« Mareike betätigte den Blinker, lenkte den Wagen auf die Autobahnauffahrt Richtung Hamburg. »Nicht nur, dass unser Portfolio ungefähr das Zehnfache ausmacht, haben wir auch das weitaus bessere Know-how. Ich habe mich mal schlau gemacht. Das Computersystem der Hamburg Invest ist auf dem Stand von vor sechs Jahren. Entweder fehlt also das Geld, dem abzuhelfen, oder – beinahe schlimmer – die IT-Abteilung in dem Laden ist unfähig. So oder so muss man sich fragen, wie es um die Datensicherheit bestellt ist. Dem Argument der »Nähe vor Ort« einiger Vorständler Schösslers ist einfach zu begegnen. Wir planen sowieso, eine Filiale in Hamburg zu eröffnen.«
»Ach ja? Das wusste ich gar nicht«, erwiderte Andrea überrascht.
Sie waren auf dem Weg zur Schössler Werft. Im Gepäck ein Angebot.
Mareike warf Andrea einen schnellen Blick von der Seite zu. »Es ist auch noch nicht spruchreif. Hängt ganz von den Umständen ab, wenn Sie verstehen.«
Oh ja, Andrea verstand. Sie war ja nicht blöd. »Es gibt keine derartigen Pläne.«
Mareike schmunzelte. »Noch nicht. Aber wenn wir Schössler an Land ziehen, kann sich das schnell ändern. Schließlich gibt es in Hamburg noch jede Menge andere potentielle Kunden. Ein kleines Büro tut es am Anfang ja auch.«
»Sie wollen wirklich . . . das ist ziemlich gewagt.«
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«
Mareike Holländer verstand es, Dinge überzeugend an den Mann beziehungsweise an den Vorstand zu bringen.
Während Andrea die in den letzten beiden Wochen aufbereiteten Daten passend zu Mareikes Präsentation am Computer aufrief und diese per Projektor auf der Leinwand erschienen, war es still im Raum. Abgesehen von Mareikes Stimme, die klar und überzeugend darlegte, welche enormen Vorteile das präsentierte Angebot der Schössler Werft bot. Vorteile, die dem Unternehmen kaum eine andere Bank einräumen würde und welche bei einer dauerhaften Zusammenarbeit der Werft Kosten in fünf, vielleicht sogar sechsstelliger Höhe sparen könnten. Andrea spürte förmlich, wie es in den Köpfen der Zuhörer zu arbeiten begann. Unweigerlich zollte sie Mareike Holländer Respekt. Die folgte einem einfachen Gesetz: Geld sucht mehr Geld. Sonst säße man ja wohl auch nicht hier. Es kam am Ende der Präsentation zwar zu keiner offiziellen Entscheidung des Vorstandes, aber die Zurückhaltung wich deutlich eingedenk der verheißenden Zahlen, welche zusätzliche Gewinne in Aussicht stellten.
Die Verabschiedung fiel entsprechend freundlich aus, und Andrea kam der Verdacht, dass Brennicke sich in den Gesprächen, die er mit Schössler geführt hatte, zu sehr beeindrucken ließ. Offenbar wollte man nur überzeugt werden. Man wartete regelrecht auf eine Frau wie Mareike Holländer.
Nach der Präsentation machten sie sich ohne längere Pause auf die Rückfahrt.
»Wir waren gut«, triumphierte Mareike. Sie steuerte den Wagen durch den ihr gut vertrauten Hamburger Stadtverkehr.
» Sie waren gut«, berichtigte Andrea anerkennend. »Ich hatte nur die Rolle einer besseren Assistentin.«
»Nach außen ja. Aber in Wahrheit haben Sie den Löwenanteil in dieser Sache geleistet. Und zwar in den letzten beiden Wochen. Wie viele Überstunden haben Sie gemacht? Dreißig, vierzig?«
»Irgendwo dazwischen«, bestätigte Andrea erstaunt.
»Dachten Sie, ich wüsste das nicht?«
»Na ja, ich . . .«, druckste Andrea herum.
»Also ja.«
»Ja«, gab Andrea zu.
»Sie halten nicht viel von mir.«
»Nein! Ich meine, doch!«
»Schon gut. Wie sollten Sie auch.«
»Wir kennen uns doch kaum. Da ist es schwer . . .«
Ein plötzliches Rucken des Wagens unterbrach das Gespräch. Der Motor starb ab. Alle Versuche Mareikes, den Wagen, während er noch rollte, erneut zu starten, schlugen fehl. Geistesgegenwärtig schaltete sie die Warnblinkanlage an und lenkte hinüber auf den schmalen Seitenstreifen der Stadtautobahn. Hier rollte der Wagen langsam aus. Erneut versuchte Mareike zu starten, ohne Erfolg.
Andrea schaute Mareike an. »Sie haben doch ausreichend getankt?«, witzelte
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