Mein Geheimnis bist du
viel zu matt. Der Arzt griff zum Telefon, instruierte eine Schwester über zwei Neuaufnahmen.
»Wenn Sie bitte ebenfalls draußen warten würden. Eine Schwester wird Sie und Frau Holländer gleich abholen.«
Andrea ging ins Wartezimmer, wo Mareike sie mit einem schwachen Lächeln empfing. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
»Eigentlich schon. Trotzdem einmal Übernachtung und Frühstück«, erwiderte Andrea seufzend.
»Ich auch«, sagte Mareike knapp.
Andrea nickte. Das hatte sie sich aus dem Gespräch des Arztes mit der Schwester schon zusammengereimt.
»Frau Holländer? Frau Lange?«, fragte da auch schon eine Stimme aus Richtung der Tür.
Mareike und Andrea standen auf.
»Ich bin Schwester Ilona. Bitte kommen Sie mit mir. Ich bringe sie auf die Station.« Sie lächelte. »Als Heldinnen des Tages bekommen Sie ein Zimmer für sich.«
Ein Einzelzimmer – danke, Gott , dachte Andrea erleichtert darüber, dass sich ihre Befürchtung, sie müsse sich auf eine Nacht mit störenden Nebengeräuschen von drei bis vier Zimmergenossinnen einrichten, als unbegründet erwies.
Sie und Mareike folgten der Schwester zum Fahrstuhl. Drei Etagen höher stiegen sie aus. Wieder ging die Schwester ihnen voran, öffnete schließlich mit den Worten »Da wären wir« eine Tür.
Andrea überließ Mareike das erste Zimmer und blieb abwartend neben der Schwester stehen. »Was ist?«, fragte diese. »Stimmt was nicht?«
»Bitte?«, fragte Andrea verwirrt zurück.
»Ihr Zimmer.« Schwester Ilona wies in das Zimmer, in dem Mareike bereits die Einrichtung inspizierte. Andreas Augen folgten der Handbewegung der Schwester. Jetzt sah sie die zwei Betten in dem Raum, und ihr wurde klar, dass mit »ein Zimmer für sich« kein Einzelzimmer gemeint war, sondern vielmehr ein Zimmer für sie beide, Andrea und Mareike.
In diesem Moment hätte Andrea die störenden Nebengeräusche eines ganzen Schlafsaals bevorzugt. Sie erinnerte sich an ihre Ferienlagerzeit als Kind, an die Ernteeinsätze in ihrer Studienzeit. Zehn, zwölf oder auch mehr Mädchen beziehungsweise junge Frauen übernachteten in einem Raum. Eigentlich war das gar nicht so schlimm. Jedenfalls besser als das, was jetzt vor ihr lag. Eine Nacht in einem Zimmer mit Mareike.
Obwohl die Umgebung völlig neutral war, fühlte Andrea sich überfordert. Sie wusste, dieses Gefühl war so überflüssig, wie etwas nur sein konnte. Gleichwohl bemächtigte sich ihrer eine Befangenheit.
Mareike bekam davon glücklicherweise nichts mit. Sie betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen die Krankenhauswäsche, insbesondere das Stück Stoff, was wohl ein Pyjama sein sollte. Sie hob das Ding hoch.
»Darin werden wir toll aussehen«, spöttelte sie. »Ich dachte bis eben nicht, dass der katastrophale Verlauf unserer Verabredung noch zu toppen wäre. Beim Anblick dieses Teils bin ich bereit, meine Meinung zu ändern.«
Die Erwähnung ihrer Verabredung steigerte Andreas Befangenheit in eine kaum überwindbare Steifheit. Sie stand regungslos im Zimmer. Die Schwester war längst gegangen, sonst hätte Andrea sich sicher nicht verkneifen können zu fragen, ob es nicht irgendwo ein anderes freies Bett gebe.
»Sie sind ja so still«, fiel Mareike nun auf. »Ist Ihnen nicht gut? Sie sehen blass aus.«
Andrea schüttelte so gut sie konnte die sie lähmende Beklemmung ab. »Ich bin ziemlich müde«, erklärte sie mit, wie sie hoffte, schleppender Stimme, griff nach der Wäsche auf dem ihr am nächsten stehenden Bett, trottete zum Badezimmer und schloss die Schiebetür hinter sich. Im Bad zog Andrea ihre nach Qualm stinkenden Sachen aus und schlüpfte in den Schlafanzug. Toilette, Katzenwäsche, Zähneputzen – fertig.
Als Andrea aus dem Bad kam, saß Mareike bereits umgezogen auf ihrem Bett. Sie stand auf, ging an Andrea vorbei ins Bad. Andrea krabbelte schnell ins Bett, zog sich die Decke bis zum Hals hoch und schloss die Augen. Höchstens fünf Minuten später hörte sie, wie Mareike die Schiebetür des Badezimmers auf und wieder zu schob und an ihrem Bett vorbeiging. Andrea wartete auf die typischen Geräusche, die entstanden, wenn sich jemand in seinem Bett zurechtlegte. Aber sie blieben aus.
Andrea hielt die Augen immer noch geschlossen. Doch sie hatte das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden. Je intensiver dieses Gefühl wurde, desto mehr konzentrierte sie sich darauf, die Augen geschlossen zu halten, merkte aber bald, dass ihre Lider zu zittern begannen.
»Schlafen Sie schon?«, fragte
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