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Mein Geheimnis bist du

Mein Geheimnis bist du

Titel: Mein Geheimnis bist du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
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erinnerte Andrea sich.
    »Ja«, bestätigte Mareike. »Und ich war siebzehn, als meine Lehrerin sich scheiden ließ und man munkelte, sie lebe jetzt mit einer Frau zusammen. Kurz darauf zog sie weg. Ich machte damals gerade mein Abitur, und meine Mutter war zunehmend besorgt, weil ich noch keinen Freund hatte. Ihrer Meinung nach waren es doch höchstens noch drei Jahre, bis ich verheiratet wäre und Kinder bekäme. Die Zeit bis dahin sollte ich mit einer Stelle als Assistentin in der Stadtverwaltung verbringen, die meine Mutter mir besorgt hatte. Ich widersprach, denn dafür hatte ich nicht das Abitur gemacht. Ich wollte studieren, später einen tollen Job bekommen und unabhängig werden. Von meiner Mutter, und, wie ich damals schon wusste, von den Männern. Meiner Mutter erklärte ich meinen Studienwunsch allerdings damit, dass man nirgendwo besser einen späteren Arzt oder Ähnliches kennenlernen konnte als an einer Uni. Das leuchtete ihr ein. Für mich war nur eines wichtig: Endlich weg von zu Hause.«
    »Das hört sich wirklich an wie eine Geschichte aus den Fünfzigern«, meinte Andrea mitleidig.
    »Ja, aber leider fand das Ganze in den Achtzigern statt, und da gab es schon Telefone. Meine Mutter bestand darauf, dass ich sie einmal die Woche anrief, und jedesmal fragte sie mir Löcher in den Bauch, ob ich jemanden kennengelernt hätte. Meine fortwährenden Negativbescheide gefielen ihr ganz und gar nicht. Meine Besuche zu Hausen arteten in regelrechte Verhöre aus, warum ich denn keine Männer kennenlernte. Schließlich kam meiner Mutter wohl der Verdacht, ich sei zu wählerisch. Sie gab Heiratsannoncen in meinem Namen auf, traf eine Vorauswahl und lud ihre Kandidaten ein, wenn sie wusste, dass ich am Wochenende nach Hause kam.«
    »Oh Gott«, rutschte es Andrea spontan heraus.
    »Ja. Oh Gott. Die Kandidaten hättest du sehen müssen. Es war mehr als einer dabei, der dem Alter nach mein Vater hätte sein können. Aber meiner Mutter war das egal. Eines Tages schrie ich sie entnervt an, dass ich gar kein Interesse hätte, einen Mann zu finden. Na, das Gejammer hättest du hören sollen: Was denn aus mir werden solle, und wie ich mir das vorstelle, ohne Mann und Kinder, allein, als alte Jungfer.
    Da riss mir endgültig der Geduldsfaden. Ich machte meiner Mutter klar, dass ich schon lange keine Jungfrau mehr sei und sie sich an den Gedanken gewöhnen solle, dass Männer nicht mein Interesse hätten, weil ich lesbisch sei.«
    »Autsch.«
    Mareike grinste. »In all den Jahren habe ich meine Mutter nie sprachlos erlebt. Aber in dem Moment herrschte Grabesstille im Zimmer. Eigentlich rechnete ich damit, dass sie mich aus dem Haus jagen würde. Sie tat es aber nicht. Ich nehme an, weil es nach ihrem Denken ein noch schlechteres Licht auf sie geworfen hätte als die Tatsache, eine lesbische Tochter zu haben. An dem Tag redete sie kein Wort mehr mit mir.«
    »Und du bist abgefahren«, folgerte Andrea.
    »Nein. So gut ist die Zugverbindung von unserer Stadt aus nicht. Ich musste zu Hause übernachten, packte meine Tasche für den darauffolgenden Tag. Du kannst dir meine Verwunderung vorstellen, als ich am nächsten Morgen in die Küche kam und meine Mutter neben meinem warm gehaltenen Frühstück sitzen sah. Sie wartete bereits auf mich.«
    Nun war es Andrea, die seufzte. »Ich ahne, was jetzt kommt. Die Phasentheorie.«
    »Du sagst es. Sie gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass ich ein wenig verwirrt sei. Das ginge vorbei. Eines Tages würde ich mich eines Besseren besinnen, sprich: mich einem Mann hingeben. Es müsse nur der richtige kommen. Sie entschied sich zu folgender Interpretation der Dinge: Ihre Tochter ging einen Umweg. Die Großstadt war schuld daran. Gegen diesen mächtigen Einfluss war selbst sie, die Übermutter, machtlos. Sie verschanzte sich hinter dem Die-Natur-setzt-sich-immer-durch- Fels. Und damit meinte sie natürlich die Mann-Frau-Beziehung. Für meine Mutter ist jede meiner Trennungen die Bestätigung ihres Standpunkts und bestärkt ihre Hoffnung, dass auch ich der Natur bald wieder gehorche.«
    Andrea schüttelte sich. »Das ist ja grauenhaft.«
    Mareike winkte ab. »Nur wenn man kein Gegenmittel findet. Ich habe einfach beschlossen, den Großteil meines Lebens, einschließlich meiner Freundinnen und Trennungen von ihnen, für mich zu behalten. Um nun auf die Hochzeit zurückzukommen: Weil ich, wenn ich allein käme, mir ununterbrochen anhören müsste, was ich alles falsch mache – mal abgesehen

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