Mein Geheimnis bist du
gekostet hatte.
Mareike kräuselte leicht die Stirn. »Gehörte zum Ausbildungsprogramm meiner Mutter.« Und mit ironischer Stimme fügte sie hinzu. »Da sieht man mal wieder, dass alles eine gute Seite hat.«
»Ausbildungsprogramm?«, echote Andrea.
»Zur perfekten Ehefrau für den würdigen Schwiegersohn.« Mareike zuckte mit den Schultern. »Da war ich aber die totale Enttäuschung. Trotz all ihrer Bemühungen – meine Mutter gab sogar Heiratsannoncen für mich auf – bin ich nicht so geworden, wie sie mich gern hätte.«
»Das klingt nach einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung«, meinte Andrea. Im selben Moment dachte sie, dass dies wohl ein zu privates Thema sei. Deshalb relativierte sie, indem sie hinzufüge: »Aber das ist ja wohl vielen Töchtern beschieden.«
Mareike schaute Andrea nachdenklich an. In ihrem Gesicht arbeitete es. »Interessiert dich diese spezielle Mutter-Tochter-Beziehung?«
Andrea spürte Mareikes Zögern. So wie diese wahrscheinlich spürte, dass sie eine Grenze überschreiten würde, wenn sie weitersprach. Und sie war noch unsicher, ob sie das wirklich wollte.
Andrea fand es nur fair, Mareike den Rückzug offenzuhalten, also sagte sie: »Du musst nicht . . .«
»Nein, nein«, unterbrach Mareike sie. »Ich meine nur . . .«, sie lächelte, ». . . ich muss dich warnen. Wenn ich dir mehr erzähle, weißt du schon wieder etwas über mich, was nicht für andere bestimmt ist.«
»Deine Geheimnisse waren bisher immer gut bei mir aufgehoben«, erwiderte Andrea schlicht.
Ein warmer Schimmer glomm in Mareikes Augen auf. »Das ist wahr.« Sie schmunzelte. »Also gut, wenn du dir die Holländer’sche Familiengeschichte antun willst . . .«
Mareike schaute auf ihren Teller, sortierte nachdenklich im Essen herum, offensichtlich in Gedanken, wo sie anfangen sollte. Dann blickte sie wieder auf.
»Meine Mutter ist in heller Aufregung. Mein Bruder heiratet nächstes Wochenende. Für mich bedeutet das, dass ich mal wieder den Begleitservice anrufen und mir eine Begleiterin ausleihen muss.«
Andrea hielt mitten in der Kaubewegung inne. »Was?«, fragte sie völlig unschicklich mit vollem Mund, schluckte hinunter und präzisierte ihre Frage: »Du mietest dir Frauen, um . . . sie deiner Mutter als Freundin vorzustellen?«
»Ich kann so einen Besuch kaum einer wirklichen Freundin zumuten. Du kennst meine Mutter nicht. Sie ist altmodisch bis zum Gehtnichtmehr. Vertritt Ansichten wie zu Urgroßmutters Zeiten.«
»Aber . . .« Andrea konnte nicht ganz folgen. »Wäre es dann nicht besser, wenn du Begleiter statt Begleiterinnen mitbrächtest?«
»Oh ja!« Mareike nickte heftig. »Das wünscht sie sich am allermeisten. Aber die Genugtuung bekommt sie nicht. Nicht mal als Illusion.«
»Das klingt nach sehr verhärteten Fronten.«
»Das kannst du laut sagen.« Mareike legte ihre Gabel ab. »In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, fallen meine Eltern nicht weiter auf, denn dort leben die meisten Menschen nach den Weltanschauungen und Moralvorstellungen aus Zeiten der Großeltern. Ich habe meine Kindheit und Jugend damit verbracht, den Tag herbeizusehnen, an dem ich dort rauskam. Bis es so weit war, musste ich jedoch durch die Schule meiner Mutter gehen, welche wiederum die Schule ihrer Mutter war. Diese Schule bestand aus zwei Fächern. Fach eins: Hauswirtschaft – Kochen, Waschen, Nähen, Putzen. Fach zwei: Beauty – Kosmetik, Maniküre, Pediküre. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich sage nicht, diese Dinge zu erlernen, sei nicht nützlich. Aber wenn jeder zweite Satz deiner Mutter mit Wenn du später mal heiratest . . . oder Der Mann, der dich mal bekommt . . . beginnt, dann ist das auf Dauer ziemlich nervig.« Mareike seufzte bei dem Gedanken daran in sich hinein. »Trotzdem, ich schwöre es, es war keine Absicht, als ich mich in meine Sportlehrerin verliebte. Ich wusste ja damals auch noch gar nicht wirklich, dass meine Gefühle für sie dieser Art waren. Sie leitete übrigens die Jugendfeuerwehrgruppe. Deshalb meldete ich mich dort an. Meiner Mutter erzählte ich, ich ginge zum Gymnastikkurs. Als Mutter drei Wochen später meine Sportlehrerin zufällig traf, flog der Schwindel auf. Es gab ein riesiges Theater zu Hause. Von wegen unweiblich und so weiter. Ich schlug Mutter schließlich mit dem Argument, dass meine Sportlehrerin ja auch verheiratet sei, obwohl sie diesen unweiblichen Nebenberuf habe.«
»Das war, als du dreizehn warst?«,
Weitere Kostenlose Bücher