Mein Geheimnis bist du
nicht, aber in ein paar Stunden«, lachte Nicole. »Ihr seid früh dran.«
»Damit wir Mutters Tiraden überstanden haben, bevor die anderen Gäste kommen«, erwiderte Mareike bissig.
Sie gingen ins Haus.
»Nimm es dir nicht so zu Herzen«, tröstete Nicole ihre zukünftige Schwägerin. »Sie meint es nicht so. Im Grunde ist sie eine nette Person.«
»Ja, zu Frauen wie dir.« Mareike stellte ihre Tasche im Flur ab, kopierte die Haltung ihrer Mutter. »So reizend und natürlich«, ahmte sie deren Stimme nach. »Es ist eine wahre Freude, das Kind anzusehen.«
Während Mareike ihre Tasche wieder aufnahm, lachte Nicole. »Ja, du hast recht. Aber du kannst hier den ganzen Tag rumjammern, ändern wirst du damit nichts. Also kommt. Ihr schlaft oben, müsst als Einzige nicht in dem eher mäßigen Hotel dieser Stadt absteigen. Darauf hat Bernd bestanden.« Nicole führte die Gäste die Treppe zur kleinen Dachetage hinauf.
»Das war ja nett von ihm, aber das Gästezimmer ist zum Hotel nicht wirklich eine Steigerung«, stellte Mareike ironisch fest, während sie die Tür zu einem Raum aufmachte, der eher schlicht eingerichtet und, entsprechend den beengten Verhältnissen dieser Etage, nicht sehr groß war. »Aber sag Bernd trotzdem danke. Es ist die Geste, die zählt.«
»Mach ich. Für mich wird es übrigens Zeit. Meine Ankleidedamen kommen gleich.« Nicole winkte ihnen zu. Dann hüpfte sie die Treppe hinunter wie ein übermütiges Mädchen.
»Sie macht einen netten Eindruck«, sagte Andrea und stellte ihre Tasche auf das Bett.
»Ist es ein Problem für dich, dass wir ein Zimmer teilen?«, fragte Mareike. »Ich kann sonst auch im Wohnzimmer auf der Couch schlafen«, bot sie an.
Andrea überlegte kurz. Eingedenk der zwei Betten wäre es kindisch, wenn sie Mareike die Couch antat. Abgesehen davon, würde sie sich nicht ebenso lächerlich machen wie an dem Morgen im Krankenhaus? Als sie selbst Brennicke anrufen wollte, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, dass sie und Mareike . . . Das war doch nur ein Produkt ihrer Phantasie.
»Wenn es für dich in Ordnung ist, ist es das für mich auch«, erwiderte Andrea deshalb. »Nur . . . wie kommt deine Mutter damit klar? Ist das nicht wie Sodom und Gomorrha in ihrem Haus?«, spottete sie.
»Bring sie bloß nicht auf den Gedanken«, warnte Mareike mit gespieltem Entsetzen. »Schläfst du lieber rechts oder links?«, widmete sie sich dann den praktischen Dingen.
»Wenn ich die Seite zum Fenster haben könnte?«
»Sicher«, meinte Mareike leichthin. »Nachdem das geklärt ist, werde ich mich noch mal in die Küche schleichen und was essen, bevor ich mich umziehe. Mein Frühstück liegt schon eine Weile zurück, und es wäre mir ziemlich peinlich, wenn während der Zeremonie mein Magen knurrt. Was ist mit dir?«
»Ich komme mit.«
Sie gingen hinunter in die Küche. Während Mareike die Zutaten für die Sandwichs zusammensuchte, begann Andrea schon mit der Zubereitung. Zu guter Letzt nahm Mareike eine Flasche Saft aus dem Schrank sowie zwei Gläser. Schließlich saßen sie friedlich beim zweiten Frühstück beisammen.
»Hallo Mareike«, ertönte da eine brummige Stimme von der Tür her.
»Vater«, erwiderte Mareike emotionslos.
Ein hochgewachsener, schlanker Mann Mitte sechzig betrat die Küche. »Ich könnte auch noch einen Bissen vertragen«, sagte er und setzte sich zu ihnen an den Küchentisch. Ohne ein weiteres Wort stand Mareike auf, bereitete ihm ein Sandwich zu und legte es auf einen Teller, den sie ihm gab.
»Hast du schon mit deinem Bruder gesprochen?«, fragte Mareikes Vater.
»Nein.«
»Es gibt da etwas, worüber er mit dir reden wollte, aber ich kann es genauso gut tun.« Umständliches Räuspern. »Also, Mutter und ich haben beschlossen, dass Bernd und Nicole in unser Haus ziehen und wir in ihre Wohnung.« Er schaute Mareike an. Offenbar erwartete er einen Einwurf. »Sie werden ja bald Kinder bekommen, da brauchen sie mehr Platz«, erklärte er, sichtbar irritiert dadurch, dass Widerspruch ausblieb. »Wir dagegen . . . wir sind nur zu zweit. Das Haus ist unser Hochzeitsgeschenk für Bernd, oder auch ein vorgezogenes Erbe, wenn du so willst. In zwanzig Jahren, wenn wir tot sind, käme es für Bernd und Nicole zu spät. Da können sie es ja schon wieder an deren Kinder weitervererben.«
Andrea hatte das dringende Verlangen, sich unsichtbar zu machen. Sie konnte es nicht fassen, dass Mareikes Vater solche familiären Dinge besprach, während sie
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