Mein Geliebter aus den Highlands
verlegen die Linke öffnete, um ihm ihre Beute zu zeigen. »Alana, das ist ein Stein.«
»Aye, aber ein sehr schöner.«
»Verstehe. Du hast beschlossen, dass es nicht reicht, diesen Kater und deinen vollen Beutel herumzuschleppen, und deshalb willst du deiner Last noch ein paar Steine hinzufügen. Und dafür hast du riskiert, von einer Giftschlange gebissen zu werden?« In seiner Stimme schwang Ärger darüber mit, dass sie sich ein weiteres Mal in Gefahr gebracht hatte.
Alana seufzte. Sie kannte den Blick auf seinem Gesicht. Diesen Blick setzten Männer auf, wenn sie das Gefühl hatten, sich mit einer seltsamen weiblichen Laune herumschlagen zu müssen – oder mit jemandem, der nicht ganz richtig im Kopf war. Für viele Männer war das ein und dasselbe. Sie bezweifelte, dass er sie verstehen würde. Dennoch wollte sie versuchen, es ihm zu erklären. Vielleicht würde das wenigstens seinen Zorn beschwichtigen. Es war ohnehin schon schwer genug, zu seinem Herzen durchzudringen, ohne dass er an ihrem Verstand zweifelte.
»Der Stein ist hübsch«, sagte sie. »Ich mag hübsche Dinge. Er hat viele ineinander fließende Farben, und er fühlt sich kühl und angenehm an.« Sie drückte ihm den Stein in die Hand. »Ich mag Steine sehr. Sie sind von Gott geschaffen und ein Teil der Natur, ein Teil, der wahrscheinlich schon so viele Jahre unbeachtet herumgelegen hat, dass wir sie gar nicht zählen können.«
Das stimmt, dachte Gregor, auch wenn er Steine noch nie in diesem Licht betrachtet hatte. Sie waren überall, und wenn er über Steine nachdachte, dann nur, ob er über einen stolpern könnte, und dass es wehtat, wenn man auf einen fiel. Dieser Stein fühlte sich tatsächlich kühl an und schmiegte sich sehr gut in seine hohle Hand. Wahrscheinlich hätte man ihn sogar als hübsch bezeichnen können. Doch all dies erklärte im Grunde nicht, warum sie ihn so sehr gewollt hatte, dass sie zu einem Ort zurückgekehrt war, an dem womöglich Kreuzottern nisteten.
»Er ist auch eine Erinnerung«, fuhr sie fort. »Wenn ich ihn in vielen Jahren in die Hand nehme, wird er all die Erinnerungen an unser Abenteuer wecken.« Sie nahm Gregor den Stein wieder ab und steckte ihn in die kleine Tasche, die sich zwischen ihren Rockfalten verbarg. »Ich suche mir oft einen Stein an einem Ort aus, an dem etwas Wichtiges passiert ist.«
»Dem Tod ins Auge zu blicken, hat dir nicht gereicht als Erinnerung an diesen Ort und diesen Moment?«
»Nun, die Kreuzotter hat mich natürlich erschreckt. Ich konnte mich nicht mehr rühren und auch nicht mehr denken. Ich konnte sie nur anstarren und darauf warten, dass sie mich beißt. Aber zum Glück sind du und Karl der Große zu meiner Rettung herbeigeeilt. Von nun an werde ich jedes Mal, wenn ich diesen Stein in der Hand halte, das Ganze sehr deutlich vor Augen haben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Viele Leute haben Dinge, um – na ja, um bestimmte Ereignisse zu feiern.«
Sie hat recht, dachte Gregor. Er wusste nur nicht, ob es ihm gefiel, wenn sie sich daran erinnerte, von einem Kater gerettet worden zu sein, während er wie ein tumber Tor daneben stand. Dennoch konnte er nachvollziehen, dass sie etwas aufheben wollte, was Erinnerungen barg; denn oft verblassten diese im Lauf der Zeit. Er kannte eine Frau, die eine Haarlocke von jedem ihrer Geliebten aufbewahrte. Alana würde er diese Geschichte allerdings nicht erzählen. Denn dann fragte sie ihn vielleicht, woher er das wusste, und er wollte ihr nicht gestehen, dass sich unter der stetig wachsenden Sammlung dieser Frau auch eine Locke von ihm befand.
»Und dieser Stein reicht dir, um dich an unsere ganze Reise zu erinnern?«, fragte er. Gleichzeitig überlegte er, warum seine Gewissensbisse und seine Verlegenheit immer stärker wurden, wenn er an seine liederliche Vergangenheit dachte.
Alana errötete. »Ich habe noch einen anderen, den ich unten am Bach gefunden habe.« Von den Steinen im Kellerloch, in der Kate und im Gasthaus, als sie ihn zum ersten Mal nackt gesehen hatte, oder den vom Lager, wo sie sich am Feuer geliebt hatten, brauchte er ja nichts zu wissen. Ihre Tasche wurde allmählich ziemlich schwer.
Gregor nickte und lief weiter. Er musste sich ein zufriedenes Grinsen verkneifen. Es war ihm überaus recht, dass sie die Erinnerung an das Bachufer, wo er sie endlich erobert hatte, wachhalten wollte. Es tat ihm sogar ein bisschen leid, dass er dort nicht auch selbst einen Stein aufgeklaubt hatte.
Sie erreichten das Kloster
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