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Mein geliebter Maerchenprinz

Mein geliebter Maerchenprinz

Titel: Mein geliebter Maerchenprinz
Autoren: Ann Major
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die Akte auf ihrem Schreibtisch und sah aus dem Fenster des Gebäudes, in dem die Büros von Merrit, Riley & Whitt untergebracht waren. In Gedanken war sie ganz woanders und sah nicht die Schneeflocken, die immer dichter auf die vereiste Oberfläche des Town Lake fielen. Sie sah nur einen großen dunkelhaarigen Mann in einem roten Jogginganzug und neben ihm eine schlanke Brünette, dessen Hand er hielt und die offenbar liebevoll zu ihm aufsah.
    Regina schloss die Augen und musste sich zwingen, nicht wieder an Nico zu denken. Sie hatte sich mit großem Elan ihrer Arbeit gewidmet, gleich nachdem sie aus Italien zurückgekehrt war, in der Hoffnung, sich von Nico ablenken zu können. Aber immer wieder sah sie sein attraktives Gesicht vor ihrem inneren Auge. Entschlossen wandte sie sich ihrem Computer zu und stellte fest, dass in den zwei Stunden, in denen sie die Hewit-Klage gegen „Black Boar“ gelesen hatte, zweiundfünfzig E-Mails bei ihr eingegangen waren – die meisten davon von „Black Boar“.
    Regina nahm die Akte wieder zur Hand. Die Klage schien begründet zu sein, und so konnte Regina sie nicht einfach ignorieren, auch wenn sie sich gegen eine mächtige Ölgesellschaft richtete, die Reginas Anwaltsfirma schon bei unzähligen Gelegenheiten vertreten hatte.
    Rebecca Hewit hatte zwölf Jahre für „Black Boar“ gearbeitet und in dieser Zeit gewissenhaft Dutzende von Unterlagen gesammelt, die eindeutig bewiesen, dass die Firma rücksichtslos karzinogene Giftstoffe in das Wasserversorgungssystem einer Gemeinde leitete. Während sie noch bei „Black Boar“ angestellt war, hatte Rebecca Hewit der Firmenleitung offen gesagt, dass sie dieses Problem aus der Welt schaffen sollten, weil sie sonst gezwungen wäre, es an die Öffentlichkeit zu bringen.
    Die Firma hatte sie prompt entlassen. Als sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollte, hatten die Firmenanwälte sie mit Anrufen unter Druck gesetzt. Rebecca Hewit hatte jeden einzelnen davon aufgenommen. Sie hatte die vergangenen sechs Jahre damit zugebracht, belastendes Beweismaterial zu sammeln, ein detailliertes Tagebuch geführt und ihren gesamten E-Mail-Kontakt mit „Black Boar“ gespeichert und ausgedruckt.
    Regina ging die Anklage noch einmal langsam durch. Sie hörte sich sogar ein Band mit einem der Anrufe an, die Rebecca Hewit einschüchtern sollten. Die Handlanger von „Black Boar“ klangen rau und beängstigend. Aber Rebecca war eine mutige Frau, und das vielleicht besonders deswegen, weil ihre kleine Tochter an Leukämie erkrankt war.
    Die Firma „Black Boar“ musste aufgehalten werden.
    Andererseits arbeitete Regina in ihrer Eigenschaft als Anwältin für eben diese Firma. Sie war begeistert gewesen, als sie vor einem Jahr ihren Job bei Merrit, Riley & Whitt, der besten Anwaltsfirma in Austin, bekommen hatte. Und sie war immer noch hier und stieg unaufhaltsam die Erfolgsleiter empor und träumte davon, dass man ihr vielleicht sogar noch vor ihrem vierzigsten Geburtstag die vollwertige Teilhaberschaft anbieten würde.
    Aber die Hewit-Akte brannte regelrecht in ihren Händen, und sie ließ sie auf den Schreibtisch fallen. Ihre Zukunftspläne waren plötzlich nicht mehr wichtig. Der Ehrgeiz, der sie so lange getrieben hatte, hatte sie verlassen. Sie konnte diesen Job einfach nicht übernehmen. Ihre Hände zitterten, als sie die Akte wieder aufnahm, aber als sie sich wieder in den Griff bekam, verließ sie ihr Büro und stürmte den Gang hinunter, um mit Robert Riley senior zu sprechen, dem Mann, der vor nicht allzu langer Zeit fast ihr Schwiegervater geworden wäre.
    „Mir geht Rebecca Hewit einfach nicht aus dem Kopf. Ich kann ‚Black Boar‘ nicht vertreten.“
    Robert öffnete die Akte nicht, als Regina sie ihm auf den Schreibtisch legte. Er hörte ihr allerdings aufmerksam fast eine volle Minute zu, bevor er auf väterliche nachsichtige Weise lächelte.
    „Mir gefällt die Art gar nicht, wie Italien dich verändert hat.“
    „Lies bitte die Akte.“
    „Das brauche ich nicht. Aber du brauchst unbedingt eine lange Mittagspause, um in aller Ruhe darüber nachzudenken. Sehr gründlich.“
    Das klang nicht sehr gut.
    Aber Regina ließ trotzdem den Rest ihrer Rede vom Stapel.
    Der Himmel war immer noch hell, aber schon legten sich lange Schatten über die Küste von Amalfi. Nico ging am Kiosk mit den Klatschblättern vorbei, auf deren Titelseiten über seine beginnende Romanze mit Viola berichtet wurde, ohne darauf zu achten. Er sah nur
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