Mein Geliebter, mein Prinz
Karte in dem Buch, das sie aus dem Palastbüro mitgenommen hatte. Schließlich ging Ella erschöpft ins Bett.
Ihre Müdigkeit verhinderte jedoch nicht, dass sie im Geiste Nico vor sich sah, wie er sie spöttisch anblickte. Nachdem sie endlich eingeschlafen war, träumte sie von ihm.
Am nächsten Morgen wurde Ella von einem Chauffeur abgeholt und zum Palast gefahren. Dort führte sie ein Diener zu dem Büro, das Nico ihr am Vortag gezeigt hatte. Auf dem Schreibtisch stand eine Kugelvase mit duftenden weißen Rosen, daneben lag ein Briefumschlag, in dem Ella eine Mitteilung von Nico fand. Zum ersten Mal sah Ella seine Handschrift, die perfekt zu ihm passte: kompromisslos und kühn. Die Nachricht lautete:
Ich fahre mit dem Motorrad hoch in die Berge und bin am Nachmittag zurück. Gehst Du heute Abend mit mir essen? Nico.
Ella lehnte sich in ihrem Bürosessel zurück und blickte aus dem Fenster auf den Palasthof. Sollte sie zusagen? Wollte sie jeden Abend in ihrer Suite sitzen und beim Zimmerservice bestellen?
Ohne zu einer Entscheidung gelangt zu sein, nahm Ella einen Kugelschreiber und machte sich Notizen. Schon nach kurzer Zeit fiel ihr auf, wie still es war. Sie hatte nicht immer zu Hause gearbeitet, sondern in verschiedenen Firmen einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt bekommen. In allen Büros war es immer laut und lebhaft zugegangen. Leute waren auf einen Kaffee vorbeigekommen, Telefone hatten geklingelt, Faxgeräte hatten gepiepst. Hier herrschte hingegen eine beinah unheimliche Ruhe. Bewegten sich die Angestellten lautlos durch den Palast? Plötzlich begriff Ella, wie einsam ein Fürst oder Prinz sich fühlen musste.
Ella schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf ihre Aufgaben. Sie wählte Orte aus, die sie besuchen wollte, und fragte sich gerade, was sie wegen des Mittagessens unternehmen sollte – sie glaubte nicht, dass ein Snackautomat vor dem Thronsaal stand! –, als es klopfte.
„Herein!“, rief sie und war aus irgendeinem Grund nicht im Geringsten überrascht, als Prinz Gianferro ins Zimmer kam. Sie stand auf. „Ich weiß ehrlich nicht, ob ich einen Hofknicks machen muss oder nicht“, gab sie zu.
Er nickte. „Ich denke, er kann Ihnen erlassen werden“, sagte er trocken. „Dies ist schließlich ein eher zwangloses Zusammentreffen. Ich glaube, Sie haben den ganzen Morgen ohne Pause durchgearbeitet. Deshalb habe ich mich gefragt, ob Sie sich vielleicht jetzt den Palastgarten ansehen möchten. Danach könnte ich dafür sorgen, dass Ihnen ein Mittagessen hierher ins Büro gebracht wird.“
Also lud er sie nicht zum Mittagessen ein. Er will mich aushorchen, dachte Ella. „Danke. Sehr gern.“
„Kommen Sie.“
Es war eine leise, höfliche Aufforderung. Und dennoch hörte Ella heraus, dass Prinz Gianferro so natürlich Befehle gab, wie er atmete. Zweifellos wurde ihm von Kindheit an gehorcht. Wie musste sich das wohl auf den Charakter eines Menschen auswirken? Wie hatte es sich aufNicos ausgewirkt?
Als sie aus dem kühlen Marmorkorridor in den sonnigen Garten traten, sehnte sich Ella nach Nico. Er würde sie vor seinem Bruder beschützen, vor den bohrenden Fragen, die sicherlich folgen würden. Oder war Gianferro zu subtil, um Ella offen zu verhören? Ein Mann in seiner Position erledigte Angelegenheiten doch wohl viel zurückhaltender und diplomatischer?
Vor einem runden Rosenbeet blieb er stehen. Es waren die schönsten Blumen, die Ella jemals gesehen hatte: große, safrangelbe Kugeln mit aprikosen- und rosafarbenen Rändern. Der liebliche Blütenduft wehte zu ihr hoch, und sie atmete ihn ein.
„Läuft Ihre Arbeit gut?“, fragte Gianferro.
Ella nickte. „Ich habe viele Ideen, was man tun könnte.“
„Wirklich?“ Er warf ihr einen gebieterischen Blick zu.
Nico war für den Tourismus auf der Insel verantwortlich. Deshalb hatte er Ella hergeholt. Seinen neugierigen Bruder würde Ella nicht informieren, bevor sie mit Nico gesprochen und entschieden hatte, welche Pläne durchführbar waren. „Ja, wirklich“, erwiderte sie sanft und bemerkte, wie sich Prinz Gianferros Gesichtszüge verhärteten. Sie hatte nicht unhöflich sein wollen. „Das sind die schönsten Blumen, die ich je gesehen habe. Und die Anpflanzung ist außergewöhnlich.“
Ein Schweigen setzte ein, während Gianferro die Augen zusammenkniff. Schließlich nickte er, als hätte er gerade etwas gelernt.
„Die Rosen sind nach meiner Mutter benannt. Mein Vater hat sie nach ihrem Tod pflanzen lassen“,
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