Mein Geliebter, mein Prinz
sie nur eine einfache junge Frau aus der englischen Provinz. Wenn Ella sich das nicht ständig ins Gedächtnis rief, würde sie unweigerlich großer Kummer erwarten.
Nico beobachtete sie konzentriert. Sie hatte sehr wenig Wein getrunken – absichtlich? –, aber sie begegnete ihm nicht mehr so abweisend. Trotzdem, instinktiv wusste Nico, dass er sehr vorsichtig vorgehen musste. Ella war kurz davor zu kapitulieren, und dennoch genügte ein falscher Schritt, um alles zu verderben.
Als sie später auf dem Rücksitz der Luxuslimousine saßen, wartete Ella nervös auf einen Schachzug, der nicht kam. Sie war sich bewusst, dass sie vor allem Enttäuschungempfand. Hör auf damit! befahl Ella sich. Sie durfte sich nicht nach etwas sehnen, das immer nur mit Bittersüße in Erfüllung gehen konnte.
Der Chauffeur hielt vor dem „L’Etoile“, und Nico wandte sich Ella zu. „Wollen wir morgen durch einige der Städte und Dörfer auf deiner Liste fahren?“, schlug er vor.
Ella nickte. Ihr Herz begann so heftig zu schlagen; sie wunderte sich, dass Nico es nicht hörte. „Okay.“
„Wir machen uns einen schönen Tag“, sagte Nico lässig. „Ich bringe etwas zum Picknick mit.“
11. KAPITEL
„Weißt du, dass Gianferro gestern mit mir gesprochen hat?“
„So?“ Nico nahm den Blick nicht von der Straße. Sie waren durch einige Küstenstädte und kleinere Orte im Hinterland gefahren. Inzwischen steuerten sie auf eines der am wenigsten hübschen Dörfer der Insel zu. Ella wollte es sich gern ansehen, hatte Nico jedoch nicht verraten, warum.
„Ich denke über etwas nach“, hatte sie nur erklärt und sich nicht erweichen lassen.
Mit einer Frau zu kämpfen, die sich nicht umstimmen ließ, war eine seltsam prickelnde Erfahrung. „Und was hat er gesagt?“, fragte Nico, während er eine schmale Straße meisterte, die er lieber mit dem Motorrad passiert hätte statt mit dem Geländewagen, den er auf dieser Tour als notwendig betrachtet hatte.
„Dein Bruder macht sich Sorgen um dich.“
Nico lachte auf. „Er hat dir den Vortrag ‚Gefährliche Sportarten‘ gehalten.“
„Den du schon öfter gehört hast?“
„Natürlich. Allerdings würde mein Bruder immer etwas finden, auch wenn ich nur ruhig am Strand in Solajoya spazieren ginge. Was Gianferro nicht gutheißt, das versucht er, mir auszureden. Nicht sosehr aus Angst vor den Folgen, sondern weil er gern die Kontrolle hat. Das liegtihm im Blut. Er nimmt seine Verantwortung als Thronerbe manchmal eine Spur zu ernst. Deshalb lebt Guido nicht mehr hier. Er ist ausgestiegen, sobald er konnte.“
„Dich stört es nicht?“
„Ich habe gelernt, Gianferro zu ignorieren.“
„Klingt für mich nach einem … Kommunikationsproblem?“
„Lass die Amateurpsychologie, Ella. Wenn ich einen Rat suche, wie ich mit meinem Bruder umgehen soll, dann werde ich dich darum bitten.“
Ein Schweigen folgte, so ein typisch einengendes Schweigen, das in einem Auto anwachsen konnte wie eine schwere, bedrückende Wolke.
„Das war ungehobelt von mir“, sagte Nico schließlich.
„Nein, du hast recht.“ Ella zuckte die Schultern. „Deine Beziehung zu deinem Bruder geht mich nichts an.“
Sehr richtig. Damit sie ihre persönlichen Ansichten äußerte, hatte er sie nicht hierher geholt. Wegen ihrer fachlichen Meinung, vielleicht. Nein, das stimmte nicht. Der Auftrag war einfach eine List gewesen, um Ella nach Mardivino zu locken. Sie zu verführen hatte für Nico an erster Stelle gestanden. Nur hatte Ella das Projekt inzwischen mit einem Enthusiasmus übernommen, der ihn beeindruckte. Und in einem Bett amüsierten sie sich immer noch nicht.
Nico runzelte die Stirn. Nichts klappte so, wie er es geplant hatte. Warum hielt Ella ihn weiterhin auf Distanz, obwohl sie ihn begehrte?
„Wir sind da“, stieß er hervor, als er mit dem Geländewagen über die staubige Straße holperte, die ins Dorf hineinführte.
Der Ort war wenig anziehend. Hoch gelegen und öde, das Meer so weit weg, dass es von hier nur wie ein schmaler blauer Streifen in der Ferne aussah. Nico blickte sich neugierig um. Seit Jahren hatte er diese Gegend nicht betreten.Noch immer ernteten die Einheimischen hier Oliven, nur dass sie heutzutage mit der Massenproduktion größerer Länder, wie zum Beispiel Griechenland, konkurrieren mussten. Die Folgen waren nicht zu übersehen. Das Dorf wirkte heruntergekommen, das kleine Restaurant an der Hauptstraße machte einen baufälligen Eindruck.
Nico und Ella gingen durch
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