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Mein geliebter Ritter

Mein geliebter Ritter

Titel: Mein geliebter Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Mallory
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der Empörung durchzuckte sie: Das war Carter, ausgerechnet der Mann, den sie eingestellt hatte, um sie zu beschützen.
    Sie zwang sich, nicht zu zappeln. Sie konnte nichts tun, solange sie so eingewickelt war. Ihre Entführer wissen zu lassen, dass sie wach war, vereitelte vielleicht eine Möglichkeit zur Flucht.
    »Die anderen warten schon«, sagte der erste Mann.
    Er sprach umgangssprachliches Englisch, doch seine Stimme war kultiviert. Ein gebildeter Mann, ein Mitglied der Oberschicht oder jemand, der oft mit dem Adel zu tun hatte.
    »Ihr nehmt sie und gebt mir gleich den Rest meines Geldes«, sagte Carter. »Ich hab schon mehr riskiert, als mir gefällt. Ich will nichts mehr mit euch Teufelsanbetern zu tun haben.«
    Teufelsanbeter?
    »Leg sie auf den Wagen, dann kannst du gehen.«
    Sie biss sich auf die Lippen, damit sie nicht aufschrie, als sie auf einen Karren geworfen wurde. Ein scharfer Schmerz schoss durch ihre Schulter, als sie hart aufschlug. Hölzerne Planken knarrten unter ihr, als das Gefährt beim Aufprall ihres Gewichts wankte.
    »Sieh bloß zu, dass du den Mund hältst«, sagte der Mann mit der kultivierten Stimme. »Ich warne dich – ich kenne Verwünschungen, die dafür sorgen, dass dein Schwanz bis ans Ende deiner Tage nicht mehr steif wird.«
    Carter stieß eine Reihe an Flüchen aus. Dann hörte sie das Klingeln von Münzen, gefolgt von sich entfernenden Schritten. Wieder wankte der Karren, dieses Mal vom Gewicht einer Person, die auf den Kutschbock stieg. Ruckartig fuhr er an.
    Als der Wagen vorwärtsrumpelte, wälzte sie sich von einer Seite auf die andere, um sich hinten von der Ladefläche zu rollen. Einmal, zweimal drehte sie sich um die eigene Achse, doch dann prallte sie an die Seitenplanke des Karrens. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und drückte sich vom Boden ab. Sie war so eng verschnürt, dass sie bloß langsam vorankam. Zentimeter für Zentimeter bewegte sie sich fort, bis ihre Füße über das Wagenende ragten.
    »Halt, John!«
    Der Fahrer hielt den Karren ruckartig an, was dazu führte, dass Linnet vom Ende der Ladefläche nach vorne rutschte. Sie wollte vor Verärgerung schreien.
    Als Nächstes war jemand neben ihr und löste das Laken von ihrem Gesicht.
    Sie sah einen Streifen sternenhellen Nachthimmel, dann bedeckte wieder ein Tuch ihr Gesicht. Es hatte denselben auffälligen Geruch wie zuvor.
    »Neeeiiiin!« Ihr Schrei wurde von dem Tuch gedämpft. Vergeblich kämpfte sie gegen die Schnüre, die sie festhielten.
    Linnet wachte mit stechenden Kopfschmerzen auf. Lange lag sie auf dem Rücken und starrte an die Decke, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wo sie war oder was mit ihr geschehen war. Zweifellos war sie in großer Gefahr.
    Langsam erinnerte sie sich an Bruchstücke der Entführung. Wie lange hatte sie auf dem Karren gelegen? Wie oft hatte man ihr das Tuch wieder aufs Gesicht gedrückt? Das konnte sie nicht rekonstruieren.
    Sie hob den Kopf und musste die Zähne zusammenbeißen, so sehr schmerzte ihr Kopf. Ein paar Lichtstrahlen stahlen sich an den Rand des einzigen, mit Holzplanken verbarrikadierten Fensters, doch selbst die taten ihr in den Augen weh. Sie lag auf einer Pritsche in einem schmalen Zimmer. Das Gewicht, das sie an ihren Händen und Füßen gespürt hatte, stammte von Ketten. Als sie versuchte, sich aufzurichten, um sich besser umsehen zu können, erfasste sie ein solcher Schwindel, dass sie gezwungen war, den Kopf wieder hinzulegen.
    Eine Träne rollte an ihrer Schläfe herab in ihr Haar. Was machte sie hier? Entführt, betäubt und angekettet wie ein Hund! Wenn sie auf Jamie gehört und getan hätte, worum er sie gebeten hatte, dann wären sie jetzt auf dem Schloss seiner Eltern und würden ihre Hochzeit planen.
    Aber nein. Sie musste wieder einmal in einem Hornissennest herumstochern. Nach diesem desaströsen Erlebnis mit Gloucester hatte sie ihre Feinde nicht weiter verfolgt. Sie war zu niedergeschlagen gewesen. Nachdem Master Woodley den makellosen Ruf des Bürgermeisters bestätigt hatte, hatte sie keinen Anhaltspunkt mehr gehabt, wo sie weitermachen sollte. Dennoch mussten sie jemanden aufgeschreckt haben, der mächtig war – und böse.
    Egal, was sie getan hatte, um dieses Desaster heraufzubeschwören, würde Jamie doch kommen, um sie zu retten, wenn er davon wüsste. Ungeachtet seiner leidigen Verlobung mit einer anderen, ungeachtet seines Zorns auf sie, ungeachtet seiner Entschlossenheit, dass sich ihre Wege nie wieder kreuzen sollten –

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