Mein geliebter Ritter
mitgenommen haben mochte.
»Lady Linnet würde London nicht verlassen, ohne es mir zu sagen«, sagte Master Woodley. »Sie hat mich immer auf dem Laufenden gehalten – anders als ihr Bruder, muss ich leider sagen. Wenn sie geht, hinterlässt sie immer sehr genaue Anweisungen, wie ich mit ihr in Kontakt treten kann.«
Jamie kehrte in den Salon zurück und ließ sich auf den Fenstersitz zwischen Linnets farbenfrohen Kissen nieder. Wo war sie? Er stützte den Kopf in die Hände und versuchte nachzudenken.
»Einfach zu verschwinden sieht ihr gar nicht ähnlich, Sir James.«
Furcht drehte ihm den Magen um, denn alles deutete darauf hin, dass Linnet nicht aus freien Stücken gegangen war.
Jamie blickte auf, als Martin, dessen junges Gesicht vor Sorge angespannt war, den Salon betrat.
»Ich habe in der Küche nichts gefunden«, sagte Martin. »Keine versteckten Briefe, nichts Ungewöhnliches.«
Verdammt. »Sagt mir noch einmal, Master Woodley, womit sie Euch in Bezug auf die alten Geschäfte ihres Großvaters beauftragt hatte.«
»Ich folgte der Spur des Goldes«, antwortete Master Woodley. »Dem Weg, den sein Vermögen vor all den Jahren gegangen ist – und durch wessen Hände.«
»Was habt Ihr herausgefunden?«
»Der Pfad gabelte sich immer wieder. Egal, welchen Weg ich nahm, er endete immer in einer Sackgasse.« Er hob einen Finger. »Doch immer in derselben Sackgasse, und das will etwas heißen.«
»Könnt Ihr nicht ein bisschen Zeit sparen und mir einfach sagen, was Ihr wisst? Lady Linnet könnte in Gefahr sein.«
»Alle Wege führen zur Halle der Tuchhändler. Das ist die Sackgasse.«
»Das ist die älteste und einflussreichste Londoner Zunft«, ergänzte Martin.
»Ich bin kein Fremder. Ich weiß, was die Tuchhändlerzunft ist.« Jamie stieß heftig den Atem aus. Er schämte sich, dass er die beiden so unbeherrscht anschnauzte.
Der alte Schreiber räusperte sich. »Der Junge hat recht. Warum meint Ihr wohl, ist der Bürgermeister meistens ein Tuchhändler?«
»Ihr glaubt doch wohl nicht, dass der Bürgermeister von London hinter den dunklen Geschäften mit ihrem Großvater steckt«, sagte Jamie. »Ich kenne Bürgermeister Coventry, er ist absolut ehrenwert.«
»Ich habe nicht behauptet, dass er der Schuldige ist.« Die Art, wie der kleine Mann seine weißen Augenbrauen hochzog, erinnerte Jamie an seinen alten Lehrer. »Aber ich glaube, dass der Mann, der hinter dem Ganzen steckte, ein Tuchhändler und ein einflussreiches Mitglied der Zunft war.«
»Dann sollte ich zur Halle der sehr verehrten Vereinigung der Tuchhändler gehen«, sagte Jamie und erhob sich. »Ich werde so lange Druck ausüben, bis mir jemand erzählt, was ich wissen will.«
»Aber Sir James …«, sagte der Schreiber hinter ihm, als Jamie die Treppe hinuntereilte, doch Jamie hatte genug vom Reden. Er musste etwas tun.
Gerade als er die Haustür erreichte, hämmerte jemand von der anderen Seite dagegen. Jamie riss sie auf und fand zwei Mädchen auf der Schwelle vor, die zu ihm aufschauten, als wäre er ein Wolf, der sie jeden Moment fressen wollte.
Wer zum Teufel waren sie? Schwestern, so viel stand fest, auch wenn eine noch ein Kind war und die andere sinnliche Kurven aufzuweisen hatte. Ihre Gesichter waren jedoch wie Spiegelbilder, bloß mit zehn Jahren Altersunterschied.
Er zwang sich, tief Luft zu holen und zu sagen: »Guten Tag.«
»Wir sind hier, um Lady Linnet zu sprechen«, sagte die Ältere. Ihre Stimme klang belegt, und sie beugte sich vor, während sie sprach.
»Wir sind hier, um sie zu warnen!«, schrie die andere hinter ihr.
Vielleicht war der Schlüssel, um den er gebetet hatte, in Form dieser beiden Schwestern gekommen.
»Kommt rasch herein!«, sagte er.
Das ältere Mädchen starrte ihn mit leicht geöffnetem Mund an. Als sie einen Schritt nach vorne machte, packte die Jüngere sie am Arm und riss sie zurück.
»Wir kennen ihn nicht«, zischte sie ihre ältere Schwester an. Dann sagte sie zu Jamie: »Wenn Lady Linnet nicht hier ist, wollen wir gern mit ihrem Bruder sprechen.«
»Er ist auch nicht hier, aber ich bin Sir James Rayburn, der Mann, den Linnet heiraten wird.« Wenn er sie je wieder in die Finger bekam.
» Dann haben wir keine Zeit zu verlieren«, sagte das jüngere Mädchen und zog ihre Schwester an Jamie vorbei über die Türschwelle. »Jedenfalls nicht, wenn Ihr eine Frau wollt, die noch am Leben ist.«
Nachdem sie im Salon angelangt waren, erzählten ihm die Mädchen, die sich als Rose und
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