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Mein geliebter Ritter

Mein geliebter Ritter

Titel: Mein geliebter Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Mallory
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Haus von der Hinterseite her betrat.
    Es war etwas anderes, als er durch die Türen zum Saal brach. Alle Diener drehten sich staunend zu ihm um, als er mit gezogenem Schwert im Eingang stand. Ein alter Mann saß allein und in eine Decke gehüllt am Feuer.
    »Brokely, Euer Schwiegersohn schickt mich«, sagte Jamie, der beschlossen hatte, dieses Mal die benötigten Informationen mit einer List zu erlangen. »Ich schlage vor, Ihr schickt die Diener weg, solange wir reden.«
    »Wie seid Ihr in meinen Saal gelangt? Wer seid Ihr?« Der alte Mann stieß bei jedem Wort mit seinem Gehstock auf den Boden. Es war ein unverwechselbarer Stock mit einer silbernen Tatze.
    »Der Bürgermeister nimmt an, dass Ihr wisst, wo sich Lady Linnet aufhält«, sagte Jamie.
    Brokelys Augenbrauen gingen ruckartig in die Höhe. Dann scheuchte er mit seinen geschwollenen, knorrigen Händen die Dienstboten fort.
    Jamie seufzte. Alte Männer und verweichlichte Kaufleute zu bedrängen, war unangenehm. Da kämpfte er lieber jeden Tag gegen einen ebenbürtigen Gegner.
    »Euer Schwiegersohn hat erfahren, was Ihr Lady Linnets Familie angetan habt«, sagte Jamie.
    »Es ist höchste Zeit, dass Coventry davon erfährt und sich dafür bei mir bedankt«, sagte der alte Mann und stieß wieder seinen Stock auf den Boden. »Wenn ich nicht so reich wäre, wäre er heute nicht Bürgermeister. Ich schäme mich nicht dafür, was ich tun musste, um aufzusteigen. Bloß weil meine Tochter darauf bestanden hat, habe ich den Mund gehalten.«
    Dann wusste die Frau des Bürgermeisters also Bescheid … und der Bürgermeister selbst nicht.
    »War sie es, die Euch diesen hübschen Gehstock geschenkt hat? Er muss sie ein kleines Vermögen gekostet haben.«
    »Wenigstens sie ist mir für alles, was ich für sie getan habe, dankbar.«
    »Dann muss sie ihrem Ehemann auch recht dankbar sein, denn ihm hat sie genau den gleichen Stock geschenkt.«
    »Pah! Ich weiß nicht, was sie an diesem Dummschwätzer findet. Aber sie hat ihn sich mit meinem Geld gekauft.«
    »Geld, das Ihr einem ehrlichen Mann gestohlen habt, als dieser krank geworden war«, sagte Jamie. »Schämt Ihr Euch denn gar nicht dafür?«
    »Er war ein Ausländer, der viel zu viel Gewinn auf englischem Boden machte.« Brokely schüttelte den Kopf. »Ich wünschte bloß, ich hätte ihm das Gold früher abgeknöpft. Aber dieser ausländische Teufel war ein schlauer Hund.«
    »Der Bürgermeister sagt, wenn Ihr Eure Tochter und Eure Enkel je wiedersehen wollt«, sagte Jamie und setzte seiner Lüge noch eins drauf, »werdet Ihr mir sagen, was mit Lady Linnet geschehen ist.«
    »Das würde er nicht wagen.«
    »Ihr wisst ganz genau, dass er das wagt«, sagte Jamie. »Ich nehme an, aus diesem Grund hat Eure Tochter es ihm all die Jahre verheimlicht.«
    »Coventry hat schon als Säugling einen Besen verschluckt, dieser selbstgerechte Idiot.« Der alte Mann spuckte auf den Boden. »Dieser undankbare Sohn einer …«
    »Sagt es mir jetzt!«, brüllte Jamie. »Was habt Ihr Lady Linnet angetan?«
    »Ich sage es Euch, aber es wird Euch nichts mehr helfen.« Brokely wandte den Blick zur Dunkelheit jenseits des Fensters. »Wir haben heute Nacht Vollmond. Ihr kommt zu spät.«
    Linnet hörte den Gesang in ihrem Traum, bevor sie erwachte. Der hämmernde Rhythmus durchdrang sie und verstärkte den schrecklichen Schmerz in ihrem Kopf. Eine vertraute feuchte Kälte klebte auf ihrer Haut und lag schwer in der Luft, die sie einatmete. Schwitzend vor Angst wachte sie endgültig auf. Sie wusste, wo sie war: hinter der Geheimtür im Winchester-Palast, wo die Hexen sich trafen.
    Zuerst hatte sie zu große Angst, um die Augen zu öffnen. Das Flackern der Kerzen und Schatten spielte hinter ihren Augenlidern. Sie atmete tief ein, bevor sie ihre Augen einen kleinen Spalt öffnete.
    Obwohl sie erwartet hatte, sie zu sehen, japste sie beim Anblick der Wesen, die in einem Kreis aus Kerzen am Boden herumwirbelten und zuckten. Wie damals trugen sie grässliche Masken und Tierfelle.
    Sie lag außerhalb des Kreises auf dem unbefestigten Boden an der Wand. Die Kälte des Bodens und ihr Angstschweiß verursachten ihr eine Gänsehaut. Als sie an sich herabsah, bemerkte sie, dass sie in ein dünnes rotes Seidentuch gehüllt war. Sie schluckte; darunter war sie nackt.
    Nein, sie würde sich nicht erlauben, darüber nachzudenken, wie sie ausgezogen worden war und wessen Hände sie berührt hatten. Nicht jetzt. Ihre Gedanken mussten sich um ihre Flucht drehen.

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