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Mein geliebter Ritter

Mein geliebter Ritter

Titel: Mein geliebter Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Mallory
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Einige hektische Minuten lang tastete sie an dem Paneel herum, drückte alle paar Zentimeter darauf und versuchte, den Öffner zu finden. Frustriert trat sie einen Schritt zurück und starrte, die Hände in die Hüften gestützt, die Wandverkleidung an. Sie versetzte ihr einen so heftigen Tritt, dass ihr der große Zeh wehtat.
    Verdammt, sie hätte François mitnehmen sollen. Er hatte ein Händchen für solche Dinge. Als sie sich zum Gehen wandte, löste sich eine Seite des Paneels um einen knappen Zentimeter von der Wand. Ihr Tritt musste den Öffnungsmechanismus in Gang gesetzt haben. Sie fiel auf die Knie und drückte die Tür mit den Fingerspitzen ein wenig auf. Als sie innehielt, um zu lauschen, hörte sie sehr leise Stimmen in der Ferne.
    Wer auch immer durch die Geheimtür gegangen war, schien nicht auf der anderen Seite zu warten, deshalb zog sie die Tür weiter auf und schlüpfte durch den Spalt. Die Tür fiel hinter ihr klickend ins Schloss, und Panik schnürte ihr die Kehle zu, bis sie hinter sich eine Klinke fand. Sobald sie sie hochdrückte, spürte sie, dass die Tür aufging. Sie konnte hinaus, gelobt sei Gott!
    Sie stand still da, bis ihr donnernder Herzschlag sich so weit beruhigt hatte, dass sie etwas hören konnte. Die Stimmen waren von hier aus lauter, aber immer noch gedämpft und weit entfernt zu hören. Langsam erschienen Umrisse, als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
    Gnädiger Gott! Sie drückte sich mit dem Rücken an die Tür, als ihr bewusst wurde, dass sie sich am oberen Ende einer tief hinabführenden Treppe befand. Die Treppenstufen führten steil durch einen aus Steinblöcken errichteten Tunnel.
    Das musste ein Fluchtweg zum Fluss sein. Die Beziehungen zwischen der englischen Königsfamilie und den mächtigen Londoner Kaufleuten waren oft angespannt; irgendein früherer König mochte es als notwendig angesehen haben, unbemerkt aus Westminster entkommen zu können.
    Sie dachte an das merkwürdige Verhalten des Ratsherrn und das Unbehagen der Kaufleute ihr gegenüber. Wenn der Ratsherr einer der Kapuzenmänner gewesen war, denen sie gefolgt war, musste sie herausfinden, wen er insgeheim traf und warum. Vielleicht sollte sie zu François zurückgehen … Nein, das würde zu lange dauern. Sie würde ihre Chance vergeben.
    Sie öffnete die Tür einen schmalen Spalt, sodass ein dünner Lichtstreifen an ihren Rändern durchschien. Tief einatmend, tastete sie sich mit einem Fuß auf die nächste Treppenstufe vor.
    Ein Schauder rann durch ihren Körper, als sie die Stimme der alten Kräuterfrau in ihrem Kopf hörte, die ihr sagte, Neugier liege in ihrer Natur … so wie das Böse bei anderen. Sie würde bloß ein kleines Stück gehen, gerade weit genug, um die Stimmen ein wenig deutlicher zu hören oder zu sehen, wohin der Tunnel führte. Wenn sie genügend Abstand hielt, würde ihr schon nichts passieren.
    Sie streckte die Arme seitlich aus, um die Wände an beiden Seiten mit den Händen zu streifen und so das Gleichgewicht zu halten, und stieg Stufe um Stufe hinab. Die Dunkelheit und der Geruch nach feuchter Erde nahmen zu, je tiefer sie stieg. Schließlich trafen ihre Füße auf unbefestigten Boden.
    Sie spähte in den schwarzen Gang vor ihr. Ihr Mund war trocken vor Angst, doch wovor sie sich fürchtete, konnte sie nicht sagen. Die Stimmen klangen hier lauter, aber immer noch gedämpft. Es war schwer zu sagen, wie weit sie von ihr entfernt waren. Sie blickte über die Schulter zurück. Das trübe Licht am oberen Ende der Treppe schien ihr sehr weit weg zu sein.
    Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sollte sie zurückgehen? Jeder Muskel ihres Körpers spannte sich an und schrie ihr zu, sie solle wegrennen … aber sie bekam vielleicht nie wieder eine Chance herauszufinden, was hier vor sich ging.
    Nach dem merkwürdigen Verhalten des Ratsherrn schien es durchaus möglich, dass seine Angelegenheiten hier unten etwas mit ihr zu tun hatten. Bisher waren all ihre Anstrengungen herauszufinden, wer ihren Großvater in den Ruin getrieben hatte, vergeblich gewesen. Falls die Vorgänge hier unten Licht in diese Sache bringen konnten, musste sie es wissen.
    Sie würde bloß so weit gehen, bis sie herausfand, zu wem die Stimmen gehörten und was gesagt wurde. Die Stimmen hörten sich mitlerweile an, als würden sie singen. Es klang wie der Gesang von Mönchen …
    Sie bewegte sich inzwischen außerhalb der Reichweite des Lichtes aus dem Korridor und musste sich vorantasten.

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