Mein geliebter Ritter
Magengrube bereitet. Sie sehnte sich danach, ihn wiederzusehen und alles zwischen ihnen wieder ins Lot zu bringen.
Sie bemerkte eine Bewegung auf dem Fluss und wandte den Blick nach Osten, wo ein paar Schleppkähne den Fluss heraufkamen. Da sie wusste, dass Jamie zu Pferd zurückkehren würde, interessierte sie sich nur flüchtig für diese Neuankömmlinge.
Ihr Interesse wuchs jedoch, als sie bemerkte, dass eine der Barken das königliche Banner gehisst hatte, den Lancaster-Löwen und die bourbonische Lilie. Der erste Mann, der von Bord ging, war Gloucester, dessen hermelingesäumter Mantel und leuchtend rot-gold-blaue Tunika seinen königlichen Status verkündeten. Die Frau an seinem Arm, die ihre Kapuze gegen die Kälte über den Kopf gezogen hatte, war wahrscheinlich seine Mätresse, Eleanor Cobham.
Linnet wollte bereits hinuntergehen, um sich dem formellen Begrüßungskomitee anzuschließen, als der zweite Schleppkahn am Kai festmachte. Da sie es nicht gerade eilig hatte, Gloucester oder seine Mätresse zu treffen, blieb sie stehen, um zu sehen, wer mit diesem zweiten Boot gekommen war.
Ihr Herz überschlug sich, als sie die großgewachsene Gestalt erkannte, die an Land sprang, noch bevor der Bootsmann die Barke festgemacht hatte. Die Wintersonne glänzte auf dem fast schwarzen Haar, das um seinen Kopf wehte. Endlich war Jamie wieder da. Sie raffte die Röcke, um hinunterzueilen, als sie sah, wie Jamie sich zu dem Schleppkahn umdrehte und die Arme hob.
Linnet stand stocksteif da, die Hände zu Fäusten geballt, als Jamie die Hände um die Taille einer zierlichen Frau legte, um sie aus der Barke zu heben. Das war völlig unnötig; es gab Stufen, die die Dame hätte nehmen können. Dann nahm Jamie ihre Hand und legte sie mit einer beschützenden Geste auf seinen Arm, die Linnets Herz schier in Stücke riss. Als die beiden über den Anlegesteg gingen, senkte Jamie den Kopf, als wollte er keines ihrer Wörter verpassen.
Linnet ließ sich auf einen Hocker fallen und presste die Hand auf ihr Herz. Sie bekam kaum Luft. Gewiss deutete sie zu viel in das hinein, was sie gesehen hatte. Es waren einfache Gesten der Höflichkeit, die jeder Ritter einer Dame in seiner Gesellschaft erweisen würde.
Dennoch war ihr so schwindelig, dass sie sich vorbeugen und die Stirn auf die Knie stützen musste. Was würde sie tun, wenn sie Jamie noch einmal verlöre? Beim Aufbau ihres Geschäfts und dem Schmieden ihres Racheplans plante sie Jahre im Voraus und zog jede erdenkliche Entwicklung in Erwägung, als wäre es ein kompliziertes Schachspiel. Doch wenn es um Jamie ging, dann lebte sie von einem Tag in den anderen. Warum war sie so planlos?
Sie wusste verdammt gut, warum. Weder sie noch ihr Plan passte zu dem Leben, das Jamie sich wünschte. Das war heute so wahr wie vor fünf Jahren. Sie konnte niemals die Sorte Frau sein, die er wollte: Eine Frau, die sich immer so verhielt, wie sie es sollte, die sich seiner »größeren Weisheit« fügte und ihm keinen Ärger bereitete.
Trotzdem wusste sie nicht, wie sie es überleben sollte, wenn sie ihn noch einmal verlöre.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie Jamie sich über die junge Frau auf dem Anlegesteg beugte. Hatte er sie bereits aufgegeben? Nein, dieses Mal hatte er gar keine Hoffnungen, die er aufgeben musste. Obwohl er von der Leidenschaft, die zwischen ihnen brannte, angezogen war, sah er in ihr nicht länger die Frau, die er heiraten wollte. Und Jamie wollte heiraten.
Ihre Mängel waren zahlreich und groß. Sie schluckte die Tränen herunter, die ihr in den Augen brannten. Selbstmitleid war keines ihrer Laster. Sie stand auf und schnippte mit den Fingerspitzen gegen den Rock ihres Kleides, um ihn zu glätten.
Sie musste entscheiden, was sie wollte, und dann konnte sie sich daranmachen, es zu bekommen. So wie immer.
Was wollte sie? Sie wollte Jamie. Aber sie wollte auch ihren Stiefel im Nacken ihres Feindes, bis der um Gnade flehte. Und das war ihr Problem. Würde Jamie auf sie warten, bis sie ihren Verpflichtungen aus der Vergangenheit nachgekommen war?
Sie würde diesen letzten Mann finden, diese dunkle Gestalt, die hinter der Intrige gegen ihren Großvater steckte, und würde ihn bestrafen. Wenn das erledigt war, würde sie sich überlegen, was sie mit Jamie machen sollte.
Sie hatte Zeit. Jamie war bloß eine Woche fort gewesen. Er konnte sich nicht in so kurzer Zeit bereits in eine andere Frau verliebt haben. Diese hilflose Frau, die von einem Schleppkahn gehoben
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