Mein geliebter Ritter
werden musste, bedeutete ihm wahrscheinlich nichts.
Von ihren Gedanken ermutigt, eilte Linnet zur Tür hinaus und den Flur hinab. Auf halbem Weg die Treppe hinunter, die zum großen Saal führte, blieb sie abrupt stehen. Jamies Worte, als er nach Eltham gekommen war, klangen ihr in den Ohren: Ich bin heimgekehrt, um zu heiraten.
Jamie verdiente ein Heim mit einer liebenden Frau und Kindern. Kein Mann würde einen besseren Vater abgeben. Warum zerriss der Gedanke, dass er bekam, was er wollte, ihr Herz wie eine schartige Klinge?
An jenem Tag in Eltham hatte Jamie ihr erzählt, er habe begründete Hoffnung, dass Bedford eine erstrebenswerte Partie für ihn einfädeln würde. Und jetzt kehrte Jamie von einem Besuch bei Bedford mit einer jungen Dame am Arm zurück. Er wollte eine Frau wie die am Steg. Eine Frau, der er nicht von der Seite weichen würde und die er beschützen könnte. Eine Frau, die ihn nicht in Verlegenheit bringen würde.
Lärm drang vom Saal zu ihr herauf, als sie allein auf der Treppe stand. Die Nachricht über die Ankunft des königlichen Gastes musste verbreitet worden sein und führte dazu, dass alle in den Saal strömten, um zu sehen und gesehen zu werden. Die Weihnachtsfeierlichkeiten konnten nun beginnen.
Linnet war nicht nach feiern zumute.
Ein Mann kam aus dem Saal und ging zur Treppe. Als er den Blick hob und Linnet erspähte, lächelte er übers ganze Gesicht und legte die Hand aufs Herz.
»Genau die Frau, nach der ich mich gesehnt habe«, rief Edmund Beaufort ihr zu, während er ihr, zwei Stufen auf einmal nehmend, entgegenlief.
»Einen guten Tag wünsche ich Euch, Edmund.« Sie reichte ihm die Hand. »Seid Ihr mit Sir James auf dem Schleppkahn gekommen? Vielleicht könnt Ihr mir helfen, ihn zu finden.«
Er küsste ihre Hand und legte sie sich auf den Arm.
»Ich bin zu Pferd gekommen, aber ich habe Sir James im Saal gesehen«, sagte er, und sie gingen gemeinsam die Stufen hinunter. »Ihr werdet ihn mit seiner zukünftigen Verlobten finden. Er ist mit ihr und ihrem Vater angereist. Vorsicht!« Edmund fing sie auf, als ihr Fuß eine Stufe verfehlte.
Ohne ihre Verzweiflung zu bemerken, beugte sich Edmund zu ihr und sagte leise: »Offen gestanden ist es eine bessere Partie, als man gemessen an seinen bescheidenen Besitzungen erwarten konnte. James Rayburn sollte sich glücklich schätzen.«
Und sie war die unglücklichste Frau auf Erden. Zum zweiten Mal hatte sie den einzigen Mann verloren, den sie je geliebt hatte.
20
Linnet reckte den Hals, um Jamie in der Menschenmenge zu finden.
»Kommt und setzt Euch zu mir.« Die Königin hakte sich bei Linnet ein und führte sie zu einigen großen Kissen, die im Halbkreis auf dem Boden verteilt worden waren.
»Wir sitzen auf dem Boden?«
»Das ist der beste Platz, um den Männern beim Tanzwettbewerb zuzusehen.« Die Königin nahm Edmunds angebotene Hand und sank elegant auf den Boden.
»Ich dachte, es sollte einen Mummenschanz geben«, sagte Linnet. Dabei war es ihr egal, welcher Art die Unterhaltung heute Abend war. Wo steckte Jamie? Sie war fest entschlossen herauszufinden, ob an dem, was Edmund ihr erzählt hatte, etwas Wahres dran war. Wenn er ebenfalls nach ihr suchte, hätten sie sich inzwischen längst finden müssen.
»Setzt Euch, Linnet«, sagte Königin Katharina lachend und zog an Linnets Kleidersaum.
Der König würde in zwei Tagen mit Bedford eintreffen. Die Aussicht, ihren Sohn im selben Schloss zu haben, in dem sie sich aufhielt, selbst wenn er in anderen Gemächern untergebracht war und eine andere Frau sich um ihn kümmerte, hatte die Königin in gute Stimmung versetzt.
Nachdem sie sich noch einmal nach Jamie umgesehen hatte, nahm Linnet Edmunds Hand und setzte sich neben der Königin auf ein Kissen.
Edmund ließ sich neben ihr auf ein Knie nieder. »Ich muss Euch verlassen, um mich den anderen Männern für den Wettkampf anzuschließen«, sagte Edmund, während er ihre Hand und ihren Blick viel zu lange hielt. »Darf ich um Eure Gunst bitten?«
Linnet zog eine Augenbraue hoch. »Meine was?«
»Eure Gunst«, wiederholte Edmund. »Sagt, dass Ihr mich anfeuern werdet, damit ich den Wettkampf gewinne.«
»Gewiss. Ich werde für Euch am lautesten klatschen.«
Er küsste ihre Hand. Dann sah er mit dem Schalk im Blick zu ihr auf und wisperte: »Und welchen Gefallen werdet Ihr mir gewähren, wenn ich gewinne, meine Süße?«
Sie beugte sich vor und wisperte zurück: »Ich bin keineswegs süß, deshalb solltet Ihr
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