Mein glaeserner Bauch
Nackentransparenztest – auch umgangssprachlich Nackenfaltenmessung genannt – wird per Ultraschall eine Schwellung mit Flüssigkeit im oberen Rückenbereich des Kindes gemessen. Sie beträgt durchschnittlich 1 bis 2,5 Millimeter. Ist dieser Wert erhöht, gilt das als Hinweis auf eine mögliche Chromosomenabweichung.
Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen sind nach Anlage 1a der Mutterschafts-Richtlinie drei Ultraschalluntersuchungen vorgesehen:
I. Screening 09.–12. SSW
II. Screening 19.–22. SSW
III. Screening 29.–32. SSW
In Deutschland wird Ultraschall seit 1979 routinemäßig in der Schwangerenvorsorge eingesetzt. In anderen europäischen Ländern, z. B. in Skandinavien und England sowie in den USA ist dies nicht der Fall. (…)
In der 12. bis 13. Schwangerschaftswoche erreicht die Schwellung unter der Nackenhaut des Kindes ihr Maximum. Statistisch ist diese Schwellung bei Kindern mit Down-Syndrom besonders stark ausgeprägt, aber auch bei Kindern, die keine Chromosomenstörung haben, kann das Ödem vergrößert sein. Sollte die Messung des dorsonuchalen Ödems ergeben, dass ein erhöhtes Risiko für Trisomie 21 besteht (Tabellenwert, abhängig vom Messwert des Ödems und mütterlichem Alter), wird dir dein/e Arzt/Ärztin z. B. Fruchtwasseruntersuchung empfehlen, um den Befund genau abzuklären. Falls du dich von vornherein gegen einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hast, kannst du dein Recht auf Nichtwissen geltend machen und deinen Arzt/deine Ärztin von vornherein darüber informieren, dass du bestimmte Diagnosen nicht wünschst. 24
Dies ist einer von vielen Einträgen zum Thema Ultraschall, die ich inzwischen im Internet gefunden habe. Das Besondere an dieser Selbsthilfeseite für Eltern ist der Hinweis für Schwangere, dass sie gezielt auch auf Diagnosen verzichten können. Verzichten auf unzumutbare Entscheidungszwänge. Ein ethisch begründbares Recht auf Nichtwissen.
Heute ist es möglicherweise nicht mehr so leicht, unabsichtlich in diese Falle zu tappen, wie für mich während meiner Schwangerschaft. Denn seit 2010 besteht die ärztliche Pflicht, vor der Durchführung des ersten Ultraschall-Screenings die Schwangere über Ziele, Inhalte und Grenzen sowie über mögliche Folgen der Untersuchung aufzuklären. Dazu gehören medizinische, aber auch psychische Risiken. Und in der Konsequenz, die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch. Auch früher wurde schon in Fachkreisen auf die besondere Problematik hingewiesen, die sich aus einer Diagnostik ohne mögliche Therapieangebote ergibt. Meine Ärzte hätten darüber 1998 im Deutschen Ärzteblatt Folgendes lesen können:
Eine pränatale Diagnostik ist sinnvoll und ärztlicherseits geboten, wenn dadurch eine Erkrankung oder Behinderung des Kindes intrauterin behandelt oder für eine rechtzeitige postnatale Therapie gesorgt werden kann. Für das Kind fehlt es dann an einer Indikation für die pränatale Diagnostik, wenn – was nicht selten der Fall ist – sich keine Therapiemöglichkeiten abzeichnen. In dem Falle kann das ungeborene Kind dem Risiko eines diagnostischen Eingriffs ausgesetzt werden, obwohl eine Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft die einzige Konsequenz aus dem Ergebnis der Diagnostik darstellt. 25
Doch selbst heute sind die Standards zur Aufklärung, Einwilligung und ärztlichen Beratung vor dem Ultraschall-Screening in der Schwangerschaft noch umstritten. Gängige Meinung der Anbieter dieser Screenings ist es, dass allen Schwangeren detailliert die Nachteile aufgezeigt werden müssen, wenn sie sich gegen diese entscheiden sollten. Nicht die Folgen der Untersuchung sondern die Folgen der Unterlassung der Untersuchung halten sie für nicht ausreichend bekannt. Mit dem Argument, es gibt keine Nicht-Risiko-Schwangerschaft, müssen nach ihrer Einschätzung allen Schwangeren neben der Beratung über die Ultraschalluntersuchungen schon mit Beginn der Schwangerschaft gezielt weiterführende Ultraschalluntersuchungen angeboten werden.
Damit nur das geschieht, was Eltern tatsächlich für sich und ihr Kind wollen, und nicht das, was sie wollen sollen , hängt viel davon ab, was zukünftige Eltern über Pränataldiagnostik wissen. Oder wissen wollen. Und welche Informationen Frauenärzte und -ärztinnen ihnen zur Verfügung stellen.
Als ich dieses Buch zu schreiben begann, hatte ich ein Gespräch mit einer Frau, das mich sehr nachdenklich gemacht hat. Sie arbeitet als Lehrerin mit behinderten
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